Die Eule - Niederrhein-Krimi
schien sie zu durchbohren.
»Warum starren Sie mich so an?«
»Ich will mir ein Bild von Ihnen machen. Wenn wir beide uns auf dieses Experiment einlassen, will ich vorher wissen, wie stabil Sie innerlich sind. Ich lasse mir ungern fahrlässiges Handeln oder Nachlässigkeiten nachsagen.«
»Was soll das? Ich habe nicht vor, Ihnen die Verantwortung für mein Wohlergehen zu überlassen, ich kann gut selber auf mich aufpassen.«
»Frau Krafft, ich möchte, dass Sie sich darüber im Klaren sind, wie gefährlich der Einsatz sein kann.«
Karin schüttelte den Kopf. »Ich habe schon einige Stunden mit der Frau verbracht, lebe noch in meinem Weltbild und bin körperlich unversehrt. Machen Sie sich nicht ins Hemd, ich würde jetzt gerne auf die Strategie zurückkommen. Mir ist wichtig, herauszufinden, wie und womit sie ihre Mitglieder an sich fesselt. Bislang ist nur durch Zeugenaussagen klar, dass sie eine gewisse Macht im gemeinsamen Gebet propagiert und das Verzeihen eine große Rolle zu spielen scheint. Sie will die Welt verbessern und bedient sich der mentalen Stärke der anderen. Ich weiß nicht, ob das alles ist, bestimmt nicht. Sie will die Lebenspartner ihrer Leute sehen, und ob sie auch die Kontostände kennt, wäre interessant zu wissen. Alles dort wirkt einfach und bescheiden, aber die Oberfläche trügt ja oft. Man fesselt eine Gruppe von Menschen nicht ohne Background nur durch gemeinsames Gebet an sich. Mir fehlt sozusagen die Firmenphilosophie.«
»Was für eine Persönlichkeit ist die Garowske?«
Da musste Karin nicht lange nachdenken. »Sie hat eine gewisse Ausstrahlungskraft, eine von innen kommende Autorität. Was sie nicht will, das prallt von ihr ab. Sie beendet Gespräche durch Stille, sie steht auf, wenn sie gehen will, sie weist zur Tür, wenn ihr Gegenüber verschwinden soll. Sie arbeitet mit Wiederholungen. Mehrmals täglich eine gewisse Anzahl persönlicher Affirmationen, also Bekräftigungen, sprechen und so. Mehr weiß ich noch nicht.«
»Sie waren bei ihr zu Hause?«
»Ja, kurz.«
»Wie sieht es dort aus?«
Karin überlegte kurz, wie sie mit wenigen Worten diese ungewohnte Kargheit beschreiben sollte. Das Telefon durchbrach ihre Gedanken. Die Pforte meldete einen Besucher an. Kurz darauf stand er schon in ihrem Büro.
»Herr van Laak, was führt Sie her? Das ist mein Kollege von Aha.«
Die Männer nickten sich kurz zu, van Laak blickte die Hauptkommissarin konzentriert an.
»Ich war gerade in der Nähe, da dachte ich, schau doch mal vorbei, ob es inzwischen Neues gibt.«
»Bedaure nein, nichts Neues zum jetzigen Zeitpunkt. Und es tut mir auch sehr leid, ich kann Ihnen keine Einzelheiten aus den laufenden Ermittlungen erzählen.«
Irritiert schaute van Laak mit leichtem Kopfschütteln zu dem neuen Kommissar. »Ach, ich hatte den Eindruck, wir befinden uns in interdisziplinärem Austausch.«
»Nein, das haben Sie leider falsch verstanden. Meine Telefonnummer sollten Sie zur Verfügung haben, falls Ihnen noch etwas Wichtiges einfällt. So sind die Regeln. Alles Wesentliche erfahren die Bürger aus den Medien, egal ob Zeuge oder einfach nur Zeitungsleser oder Internetnutzer.«
Van Laak tippte sich an die Stirn. »Ich hätte es wissen müssen. Die ganze Fernsehwelt mit ihren Krimis zeigt ja nicht unbedingt die Realität. Klar, Sie sind die Puzzler, und wir Normalsterblichen bringen die Teilchen.«
»Fast. Und? Gibt es noch etwas, was Sie mir mitteilen wollen?«
Etwas zögerlich verneinte er die Frage. Er wolle dann nicht weiter stören, meinte van Laak und verschwand genauso überraschend, wie er aufgetaucht war.
Von Aha ließ keine Sekunde hinter dem Schließen der Tür verstreichen. »Wer war das?«
»Der Pilgerbetreuer aus Kevelaer. Komischer Vogel. Wo waren wir stehen geblieben? Ach ja, die Wohnung. Reizarme Kargheit. Nicht verklärte Armut oder so, eher unpersönliche Schlichtheit.«
»Gibt es Sichtbares aus ihrer Vergangenheit? Ich meine Bilder, Fotos, Bücher, sentimentale Erinnerungsstücke.«
Da brauchte sie nicht zu überlegen. »Nein, nichts.«
Die buschigen Augenbrauen des Mannes verengten sich, wieder schaute er Karin durchdringend an. »Da haben Sie das erste Mysterium um diese Frau.«
Komische Type hin oder her, denken konnte er, nur mit der verbalen Kommunikation schien es noch zu hapern. »Jetzt reden Sie, ich bin nicht gut in Telepathie.«
»Der wunde Punkt. Bestimmt liegt der wunde Punkt von Cornelia Garowske in ihrer Vergangenheit. Sie hat sie völlig
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