Die Eule - Niederrhein-Krimi
Sonsbeck, das hat der gesagt? Der kennt sich hier nicht aus. Das ist der Anstieg in die Sonsbecker Schweiz, die höchste Erhebung weit und breit.«
Da fehlt noch was, dachte Burmeester und wurde auch prompt beliefert.
»Endmoräne aus der Eiszeit, genau wie der Fürstenberg, da, dahinten kann man den noch hinter den Pappeln erkennen.«
Burmeester sehnte sich zurück nach den alten Dienstplänen. Er und die Hauptkommissarin, sie waren ein gutes Team gewesen. Seit ihrer Schwangerschaft hatte er an Simons Seite gearbeitet. Zwar war sie seit ein paar Monaten zurück aus ihrem Mutterschaftsurlaub, jedoch wollte die Chefin erst sehen, wer Simons Stelle einnehmen würde, und dann die Gespanne neu einteilen.
Die B 57 nach Xanten war stark befahren, Scharen von Touristen wollten diesen lauen Tag am Niederrhein genießen. Sie bogen links auf den Augustusring, passierten Xanten und mussten sich hinter der Einmündung zum Gewerbegebiet bei der Straßensperre ausweisen, um weiter über die Xantener Straße Richtung Sonsbeck zu fahren. Termath richtete sich in seinem Sitz auf. Das Ziel ihres Einsatzes war nicht zu verfehlen, wirkte bedrohlich in seinem Ausmaß. Von Weitem war ein riesiges Aufgebot an Blaulichtern zu erkennen: Feuerwehrwagen, Rettungsfahrzeuge und Streifenwagen, die die Kreuzung abriegelten, die vor der Unfallstelle nach Labbeck und zum Hammerbruch führte.
»Mein lieber Scholli, jetzt wird es ernst, das ist ja was ganz Großes.«
* * *
Burmeester starrte in das Gewusel aus uniformierten Hilfskräften, die Malteser hatten ein Versorgungszelt aufgebaut, auf der Weide vor der Straßenkreuzung stand ein Rettungshubschrauber mit abgestelltem Motor. Je näher sie der Unfallstelle kamen, desto mulmiger wurde ihnen beiden.
»Siehst du einen Bus?«
»Nein, aber der umgekippte Kasten da rechts scheint ein Lkw zu sein. Ich kann kein anderes lädiertes Fahrzeug ausmachen.«
»Kein Bus und trotzdem so viele Opfer?«
»Wir werden es gleich wissen.«
Sie parkten auf dem Seitenstreifen vor dem Chinarestaurant. Knallrote runde Lampions, die im Baum vor dem Eingang schaukelten, verbreiteten eine deplatzierte Fröhlichkeit. Die Angestellten, selbst die Küchenhilfen, standen mit versteinerten Gesichtern vor dem Eingang und blickten zur Unfallstelle.
Ein Streifenbeamter kam den Kommissaren entgegen, sie zückten ihre Dienstausweise.
»Hauptwachtmeister Ebert, kommen Sie, wir müssen zu dem verunglückten Lastkraftwagen.«
»Wie viele Unfallbeteiligte gibt es?«
»Drei Tote, einer klemmt noch unter dem Fahrzeug. Wir müssen ihn herausschneiden, der Kran ist unterwegs. Sieben Schwerverletzte sind auf umliegende Krankenhäuser verteilt worden, um die restlichen fünf kümmern sich momentan zwei Seelsorger, dahinten in dem Zelt. Sie stehen natürlich unter Schock und sind schon medizinisch versorgt worden. Die sind ansprechbar, und es gibt übereinstimmende Schilderungen des Hergangs, die Sie sich unbedingt anhören müssen.«
Simon Termath wies auf den Lkw, dessen Unterboden zur Straße hin sichtbar lag, während die Stoßstange an der Front mit blutbefleckten Tüchern verhängt war.
»Da liegt noch jemand drunter? Nicht zu fassen. Sicher, dass es nur einer ist? Was um Himmels willen ist hier passiert?«
Der Streifenbeamte atmete tief durch, schien zu überlegen, wo er mit seinem Bericht starten sollte.
»Das sind Pilger, ich meine, das war eine Gruppe auf dem Weg nach Kevelaer. Jeder kannte den anderen, das macht es für die Unversehrten besonders schwer. Sie haben mit ansehen müssen, wie der Lkw von dort oben mit aufheulendem Motor den Berg hinunterraste, die Mittellinie überfuhr und direkt auf die Gruppe zuhielt. Sie bestätigen, dass nur noch einer fehlt.«
Sie waren stehen geblieben. Burmeester schaute zu dem Zelt. In Decken gehüllte Menschen, manche mit Kaffeebechern in den Händen, hockten auf einfachen Bänken. Zwei Männer redeten auf einen Helfer ein, eine Frau schluchzte herzzerreißend, eine ältere saß kerzengerade da und stierte vor sich hin. Er wendete sich ab. Unfassbar.
»Hat der Fahrer die Kontrolle über das Fahrzeug verloren?«
Ebert rang nach Worten.
»Das ist es ja, Herr Kommissar Burmeester. Die Mitpilger sagen unabhängig voneinander, der Fahrer habe hellwach hinter dem Steuer gesessen und das Fahrzeug gezielt auf die Gruppe zugelenkt. Es gab keinen Ausweichversuch, es gibt keine Bremsspur, keiner hat ein Hupen gehört, auch optische Warnsignale sind nicht beobachtet worden,
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