Die Eule von Askir
alter Takelage heillos ineinander verkeilt. Direkt unter ihm lag eine Kriegsgaleere des Reichs auf Grund, die vor gut dreißig Jahren hier gesunken war. Sie stand aufrecht auf ihrem Kiel und wirkte beinahe unversehrt, sogar die Reste eines Segels wehten noch in der unsichtbaren Strömung. Im Lauf von Jahren oder Jahrzehnten würde sie ihre langsame Reise zu den anderen Schiffen am Seetor fortsetzen, jetzt jedoch bohrte sich der noch immer glänzende Rammsporn in den Schlick, als wäre dieser die See, auf der das mächtige Schiff fuhr.
Was Fefre jedoch am meisten faszinierte, waren die Ruinen eines älteren kleineren Hafens, nein, einer ganzen Stadt dort unten, die sich an den steilen Stein drückte. Sie lag vielleicht in fünfzehn Mannslängen Tiefe: eine Stadt mit Molen, Gebäuden und Lagerhäusern, die zum Teil noch standen, sowie eine niedrige Stadtmauer mit einem einzelnen, offen stehenden Tor. Hinter der Mauer waren die Ruinen einer versunkenen Burg zu erkennen, die wohl einst diesen Hafen geschützt hatte. Weiter in Richtung Seetor fand Fefre sogar eine versunkene kaiserliche Wachstation, die halb begraben im Schlick noch fast völlig intakt wirkte. Selbst die schweren Fensterläden hingen noch in ihren Angeln, nur der Flaggenmast auf dem Turm war abgebrochen und in die Tiefe gesunken. Ein Jagdboot zerfiel mit gebrochenem Rückgrat vor der versunkenen Mauer, als wäre es dorthin zurückgekehrt.
Vermoderte und geborstene Hölzer, Fässer und auch schwere Ballen von Ladung, Kisten und Truhen, all das war auf den Grund des Hafens gesunken, Netze, Seile und schwere Trossen kreuzten sich und verknoteten sich in der Tiefe zu einem Durcheinander. Hier und da sah Fefre auch bleiches Gebein, zum Teil im Schlick begraben, und manchmal bemerkte er auch Reste einer lindgrünen Uniform.
Vor dieser gespenstischen Kulisse spielte sich tief unter ihm ein Drama ab. Fefre hatte von den Seeungeheuern gehört, die der Hildfas Wacht zur Hilfe gekommen waren. Wenn es stimmte, was man sich erzählte, dann hatten sie sich mit gut einem halben Dutzend der Echsen den Bauch vollgeschlagen. Und zumindest eines der Ungeheuer schien auf den Geschmack gekommen zu sein und die Echsen in den Hafen verfolgt zu haben.
»Götter!«, entfuhr es Fefre. »Leute, das müsst ihr euch ansehen!« Die Soldaten scharten sich um die Fenster und blickten mit ihm zusammen in die Tiefe.
Eine Feder hatte Fefre vor langer Zeit als grünem Rekruten erklärt, dass die Seeschlangen, die den Marinesoldaten ihren Namen liehen, keine Ungeheuer seien. Sie wären lediglich eine besondere Art von Raubfischen, verwandt mit den Steinhaien, die es weiter südlich an der Küste gab. Seeschlangen sah man nur selten an der Oberfläche, ihre Heimat waren die tiefen Gewässer, aber solche gab es hier in der Nähe auch. Nur wenige hundert Schritte vom Seetor entfernt fiel eine steile Unterwasserklippe in endlose Tiefen hinab, und dort unten, wo niemals ein Licht hinfiel, war die Heimat der Ungeheuer.
Es war das erste Mal, dass Fefre eine Seeschlange in ihrem Element sah. Ein breiter, fast vier Schritte breiter Kopf, ein flacher Kegel, dessen untere Hälfte fast nur aus Reihen messerscharfer Zähne bestand, mächtige Kiemen, die sich gelassen öffneten und schlossen, davon abgehend farbige Bänder, die langsam pulsierend ihre Farben zu wechseln schienen, dann ein langer, endlos langer, fahler schlanker Körper mit gezackten dreieckigen Flossen und einem hohen schrägen Schwanz, der ebenfalls in diesen leuchtenden Bändern endete und das Meeresungeheuer mit fließenden farbigen Mustern schmückte.
In den dunklen Tiefen, so hatte die Feder ihm erklärt, dort, wo sich kein Licht befand, leuchteten diese Bänder und lockten die Beute der großen Schlangen in ihr Verderben. Warum man sie Schlangen nannte, war auch leicht zu erkennen, denn dieser schlanke Körper wirkte genau so und wand sich elegant durch das Wasser, schneller, als man es bei der Größe hätte glauben wollen.
Die Echsen, die in dieser Tiefe klein wirkten und so erst die Größe des Ungeheuers betonten, hatten Mühe, den Tiefseeräuber auf Distanz zu halten. Immer wieder stachen die intelligenten Reptilien mit ihren langen Knochenspeeren auf das Ungeheuer ein, doch die mannslangen Waffen wirkten wie Nadeln gegen diese mächtige Flanke. Die Seeschlange selbst mochte gut dreißig Schritte lang sein und damit länger als der Schleppbagger, von dem aus Fefre atemlos das Geschehen verfolgte.
Wieder öffneten sich
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