Die Eule von Askir
mit dem Fuß aufgestampft. Santer erkannte schnell, dass dies ein Spiel zwischen ihnen war.
Wer von den Gästen nicht seinen Rausch ausschlief, betrachtete das Schauspiel interessiert. Von der Eule hatten wohl die meisten mittlerweile etwas gehört, zu bekannt war die Legende der alten Maestros, um ihre Wiedergeburt zu ignorieren, aber dass eine dieser legendären Gestalten von Istvan so vertraulich begrüßt wurde, überraschte doch.
»Und du, Santer«, sagte der Wirt, »schuldest mir seit Jahren eine Revanche.«
»Die wird es geben«, antwortete Santer. »Wir müssen nur vorher noch ein paar Kleinigkeiten erledigen.«
»Ein paar Kleinigkeiten?«, fragte Istvan und zog eine Augenbraue hoch.
»Istvan«, sagte Desina leise, »Wiesel hat dir etwas für mich gegeben…?«
»Ja«, bestätigte Istvan. »Kommt mit.« Er führte sie in eine Kammer, die als Vorratsraum diente. »Du suchst sicherlich das hier«, sagte er, griff in seine Lederschürze und nahm einen schweren Lederbeutel heraus. Er öffnete ihn, um ihr den Inhalt zu zeigen. Desina musterte die schwarze, faustgroße primitive Skulptur neugierig und streckte dann vorsichtig die Hand aus. In dem Moment, in dem ihre Fingerspitzen die Skulptur berührten, geschah etwas Seltsames: Zum einen schien es Santer, als wären kleine bläuliche Funken von der Skulptur zu ihrer Hand gesprungen, zum anderen kam es ihm so vor, als ob eine durchscheinende, blau schimmernde Welle von dem Stein aus durch ihn hindurchlief und sogar für einen Moment den Boden schwanken ließ. Istvan fluchte und zuckte zurück, beinahe wäre der Wolfskopf hingefallen, doch Desina hatte den Beutel aufgefangen und stand nun da, ihre Augen geweitet und ihre Lippen zu einem erstaunten O geformt.
»Was bei Soltars Robe war das?«, entfuhr es Santer. Seine ganze Haut kribbelte, und er hatte ein leises Pfeifen im Ohr, das jedoch im nächsten Moment schon wieder verschwand. »Hat der Boden eben tatsächlich geschwankt?«, fragte er.
Istvan schaute ihn verwundert an und schüttelte den Kopf. »Nein, aber ich schwöre, das Ding hat mich in den Finger gebissen, als sie den Stein berührte… Sina?«
Die Maestra schüttelte den Kopf wie ein benommener Hund und lächelte, etwas mühsam, wie es Santer schien. »Alles in Ordnung«, sagte sie, während sie den Beutel sorgfältig in ihrer Robe verstaute. »Bei diesem Stein gibt es wohl kein Zweifel, dass er magisch ist.«
»Wieso?«, fragte Istvan. »Ist der andere nicht genau so?«
»Er sollte es sein, nicht wahr?«, sagte Desina nachdenklich. »Aber er ist es nicht. Der Stein, für den Jenks starb, war in etwa so magisch wie ein Stück trockenes Brot.«
»Also nichts, wofür es sich zu sterben lohnt«, stellte Santer fest. »Das scheint bei diesem hier anders zu sein.«
»Ja«, bestätigte Desina leise. »Der hier ist deutlich anders! Er ist ein Artefakt mit enormen Kräften. Und jetzt kann ich auch glauben, dass von diesen Steinen eine Gefahr ausgeht!«
»Aber was ist mit dem, den Wiesel von Jenks hat?«, fragte Istvan.
»Das ist eine gute Frage«, antwortete Desina.
»Gibt es nur zwei Steine?«, fragte Santer nachdenklich. »Den hier, voller Magie, und den anderen, ohne? Oder gibt es doch zwei magische Wolfsköpfe, und uns fehlt noch immer einer?« Er schüttelte den Kopf. »Irgendetwas wissen wir noch nicht.«
»Es dürfte eine ganze Menge sein, was wir noch nicht wissen«, stellte Desina nachdenklich fest. Sie sah ihn ernst an. »Istvan, ich muss zurück, der Kommandant erwartet mich. Die Götter mögen dich schützen.«
»Und dich, Sina. Grüß den alten Rabauken von mir«, sagte Istvan, als er ihr den Kompass reichte. »Aber wage es nicht zu gehen, bevor du mir nicht eine Frage beantwortet hast!«
»Und welche?«, fragte Desina und hielt inne.
»Wie kommt es, dass du mit dem Kerl hier zusammen bist?«, meinte Istvan und warf Santer einen schwer deutbaren Blick zu. »Er ist ein Nichtsnutz und Frauenheld und eine Schande für seine Uniform«, fügte er in falschem Groll hinzu.
»Das weiß ich«, entgegnete die Maestra. »Deswegen ist er ja mein Adjutant.«
»So. Dein Adjutant.« Istvan musterte Santer. »Pass auf sie auf, Santer. Sie ist etwas ganz Besonderes.«
»Stimmt«, gab Santer zurück. »Sie ist ganz besonders eigensinnig.«
»Santer!«, mahnte Desina von der Tür her. »Wir müssen los.«
»Und etwas herrschsüchtig. Aber man gewöhnt sich daran«, fügte Istvan hinzu.
Santer grinste, als Desina die Augen verdrehte, und eilte
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