Die Eule von Askir
wie dieser Miram die Gedanken der Brutmutter kontrolliert hat, so hat sie auch ihn gespürt. Sie war nicht imstande, alles zu verstehen, aber eins weiß sie: Es geht den Verfluchten darum, einen Weg zu öffnen von ihrem Land zu unserem. Dort steht eine Armee bereit. Du sollst auch das Desina mitteilen.« Sie legte den Kopf auf die Seite. »Jetzt sagt sie, du sollst hier nicht dumm herumstehen, sondern das tun, was sie dir aufgetragen hat, damit die Verfluchten zerfetzt, in Stücke gerissen und ihre Knochen zu Staub zermalmt werden, sodass die Brutmutter anschließend auf sie urinieren kann!«
»Na, wenn das so ist«, sagte Wiesel und verbeugte sich höflich vor der großen weißen Echse mit den scharfen Zähnen. »Dann will ich mich wohl besser beeilen!«
62
Es war hauptsächlich Santer zu verdanken, dass sie sich überhaupt einen Weg durch die Menge bahnen konnten. Irgendwie wichen ihm die Leute aus, wenn er auf sie zukam, vielleicht lag es auch daran, dass es nicht so aussah, als ob er anhalten würde.
Als sie den gepanzerten Ring der Bullen erreichten, die um die Gildehalle herumstanden, atmete Desina erleichtert auf. Im Gedränge war es immer wieder vorgekommen, dass jemand sie berührt hatte, und ihr Kopf war voll von den Eindrücken aus anderen Leben, voll von den Hoffnungen und Ängsten der Menschen. Sie schaute sich um, sah die fast schon ausgelassene Menschenmenge, die ihre Angst vor den Geschehnissen der letzten Tage hinter einer ausgelassenen Fröhlichkeit verbarg, schaute in die beunruhigten Gesichter der Bullen, die ständig nach einer Bedrohung Ausschau hielten, die nirgendwo zu sehen war. Sie sah auch die weiße Gildehalle, die mit Laternen hell erleuchtet war und deren Dach von der untergehenden Sonne rötlich angestrahlt wurde, sodass es schien, als leuchte sie aus sich heraus.
Kaum waren sie aus der Menge herausgetreten, eilte auch schon ein Soldat der Federn herbei und salutierte vor der Maestra. »Maestra, Stabsleutnant, ich bin froh, euch zu sehen. Stabsobrist Orikes und Baronet von Freise erwarten euch dringend. Bitte folgt mir.«
Santer und Desina sahen sich gegenseitig fragend an und folgten dann der Feder hinauf in den zweiten Stock des Rundbaus, wo die Federn in der Registratur der Gildehalle Quartier bezogen hatten. An den schwarzen Tafeln, die in dem hohen und weiten Raum an der Wand hingen, wurden sonst immer Kornpreise oder die von Gold oder Fleisch notiert, die erwartete Ankunft von Schiffen oder Karawanen oder der Inhalt von Silos und Warenhäusern. Heute waren dort Wachtabellen eingetragen, oder Bemerkungen über die Gäste, die schon da waren oder noch erwartet wurden.
Als Santer und die Maestra hereinkamen, sahen sie den Baronet in eine Unterhaltung mit Stabsobrist Orikes vertieft. Schwertobrist Kelter stand in voller Rüstung daneben und hörte mit angespanntem Gesichtsausdruck zu. An den zwei großen Türen, die in den Raum führten, standen jeweils zwei Bullen in Rüstung, an den Tafeln taten zwei Federn in Uniform Dienst. Sie arbeiteten konzentriert und wussten zugleich, dass alles, was sie auf die Tafeln schrieben, schon im nächsten Moment nicht mehr gelten würde. Draußen vor den Türen und auf der Galerie, von der aus man in die Halle hinabsehen konnte, standen zwei weitere Federn, die versuchten, die geladenen Gäste im Auge zu behalten.
»Das ist eine schwere Anschuldigung, die Ihr erhebt«, sagte Orikes gerade, als die Maestra herantrat und sich räusperte.
»Sie ist wahr«, entgegnete der Baronet gepresst. »Zumindest ist er der Mörder seiner Frau.«
»Nein«, widersprach Orikes. »Er hat die jüngere Tochter geheiratet. Es waren Lysanne, die ältere Tochter, und ihr Kind, die in den Flammen umkamen.« Er hob die Hand, als der Baronet etwas sagen wollte, und wandte sich kurz Desina zu. »Entschuldigt uns einen Moment, das hier ist wichtig!«
»Das ist das, was wir Euch zu berichten haben, auch«, sagte Desina. »Aber einen Moment wird es Zeit haben. Es geht um Meister Oldin?«, fragte sie, weil sie den Namen der ältesten Tochter des Meisters gehört hatte.
»Nicht direkt«, sagte der Baronet anstelle von Orikes. »Es wird sich gleich alles klären.« Er verbeugte sich knapp vor der Maestra und nickte Santer grüßend zu, bevor er sich wieder an den Obristen wandte.
Santer warf einen bedeutsamen Blick auf Schwertobrist Kelter und schaute dann Desina fragend an. Sie schüttelte fast unmerklich den Kopf.
»Es bleibt trotzdem Mord, dessen bin
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