Die Eule von Askir
ich mir sicher. Wer war der Ehemann der älteren Tochter?«, fragte Tarkan.
»Ein Gelehrter hier aus Askir, ein Konstrukteur und Künstler. Er kam auf See um, bevor das Enkelkind geboren wurde.«
»Dann verstehe ich das Motiv zwar nicht«, sagte der Baronet, »bin mir aber dennoch sicher!« Er sah mit einem seltsamen Ausdruck in seinen Augen zu Desina hinüber. »Stabsobrist, der Mann hat Meister Oldin belogen, als er behauptete, die Leiche des Kindes habe ein Armband getragen! Denn das gleiche Armband befand sich, nach dem was ich gehört habe, am Handgelenk eines anderen Mädchens, das genau an dem Abend, als es brannte, in den Hafen hier in Askir geworfen wurde.«
Desinas Kopf schnellte überrascht zu dem Aldaner herum, der sie mit einem grimmigen Gesichtsausdruck ansah.
»Woher wisst Ihr das?«, fragte sie.
»Euer Wiesel hat die Geschichte oft genug zum Besten gegeben. Als ich Erkundigungen über Euch einzog, erzählte man sie mir.«
Sie amtete tief durch.
»Wieso ist dies alles jetzt von Belang? Gibt es jetzt nichts Wichtigeres zu tun, als über Vergangenes zu schwätzen?«, fragte sie etwas ungehalten.
»Es ist von Belang«, sagte er einfach. »Hier.« Er hielt ihr ein Blatt hin. »Sagt mir, was darauf geschrieben steht?«
»Das ist meine Name«, sagte Desina überrascht, und sie runzelte die Stirn. »Die Art, wie er geschrieben ist, erinnert mich an etwas.«
»Ihr habt dem Gildenmeister Oldin erzählt, dass Ihr ein Armband getragen habt, als man Euch in den Hafen warf. Dort sei Euer Name eingraviert gewesen.« Der Aldaner lächelte sanft. »Es ist ein übliches Geschenk, eine aldanische Tradition, ein Band zum Namensfest. Aber Euer Name ist ein unüblicher. Könnt Ihr Euch erinnern, ob er in dieser Art auf das Namensband geschrieben war?«
Desina nahm das Blatt, ging hinüber zu einem der Tische und nahm eine Feder, um ihren Namen darunter zu schreiben. Sie kehrte zurück und hielt es dem Baronet hin. »So schreibe ich meinen Namen noch heute«, sagte sie. »Es ist dem, was Ihr geschrieben habt, sehr ähnlich. Worum geht es hier eigentlich?«
»Verzeiht, wenn ich es so plump ausdrücke«, sagte der Baronet. »Ihr seid die Enkelin von Meister Oldin. Und es war Meister Rolkar, der Eure Mutter ermordet hat und Euch in das Hafenbecken warf.«
Desina war einen Moment lang sprachlos. »Aber warum?«, fragte sie dann. »Warum sollte er das tun?«
»Das kann ich Euch sagen«, meinte überraschend Schwertobrist Kelter, den Desina fast schon vergessen hatte. »Ich kannte Lysanne. Sie war eine Kunstschmiedin und entwarf zusammen mit ihrem Mann Glockenspiele und Himmelsuhren und andere wundersame Konstruktionen. Sie war eine Kunst-, Fein- und Grobschmiedin, und jeder wusste, dass sie die Nachfolge von Meister Oldin antreten würde, wenn er zu alt werden würde. Hätte sie überlebt, wäre Rolkar niemals der Gildemeister der mächtigsten Gilde der Reichsstadt geworden, ein Amt, das ihm fast alle Türen öffnet.« Noch nie zuvor hatte Kelter sie so freundlich angesehen. »Ich muss mich bei Euch entschuldigen«, sagte er weiter. »Es ist schlichtweg nicht möglich, dass schlechtes Blut in Euch fließt, wenn Ihr die Enkelin von Meister Oldin seid.«
»Ich verstehe nicht«, sagte Desina. »Ich kann das nicht glauben. Ich meine… Meister Oldin und ich sprachen darüber… und wir wären beide den Göttern dankbar gewesen, aber Meister Rolkar hat doch…«
»Gelogen«, sagte der Baronet hart. »Zudem hatte Jenks eine Beschreibung von dem Mann, einem führenden Mitglied des Kults der Weißen Flamme, der unsere Königin ermorden ließ. Sie passt auf Meister Rolkar wie auf keinen anderen. Auch habe ich zwischenzeitlich gehört, dass er und die Kurtisane Asela oft zusammen gesehen wurden.«
»Das ist nicht unüblich«, sagte Kelter. »Sie ist eine bezaubernde Frau, und jeder Mann kann sich glücklich schätzen, ihre Gunst zu erwerben, sei es auch nur für kurze Zeit.« Offenbar wusste er noch nichts davon, dass die Kurtisane eine der Verfluchten war.
»Ihr kennt die Sera auch, nicht wahr?«, fragte Santer, während Desina immer noch da stand, als hätte sie der Schlag getroffen. Zögernd nickte der Schwertobrist. »Es kostet mich einen großen Teil meines Solds, sie zu sehen, aber sie ist jedes Kupferstück wert, eine wahre Künstlerin der Leidenschaft und von Astarte gesegnet.«
»Das glaube ich nicht«, sagte Desina hart, als sie aus ihrer Lähmung erwacht war. »Sagt, habt Ihr jemals mit ihr über dienstliche
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