Die Eule von Askir
nach ihr gegangen wäre, wären sie gar nicht hier«, erklärte Regata. »Dieses Land ist ihnen zu kalt, die Kälte macht sie so steif, dass sie sich kaum bewegen können. Sie haben eine furchtbare Angst vor den Seeungeheuern und würden nichts lieber tun, als wieder nach Hause zu fahren. Aber sie können es nicht, weil sie nicht wissen, wo ihr Land ist und wie sie dort hinkommen. Lass mich es dir erklären.«
»Wieso sprichst du für sie? Erklär mir das zuerst!«
Regata lachte leise. »Ich kann es selbst nicht fassen. Ich glaubte mich verloren, als ich in diesem Käfig dort erwachte. Es dauerte nicht lange, und ich wurde herausgezerrt, um von den Kriegern gefressen zu werden. Ich schrie und winselte um Gnade und hielt mir den Bauch… Und plötzlich ließen sie von mir ab und brachten mich zur Brutmutter.«
»Sie haben dich gefangen?«, fragte Wiesel. »Wir haben nach dir gesucht und dachten… Istvan ist…« Er brach ab.
»Ja, ich sollte ihnen als Futter dienen«, gab Regata Auskunft.
»Und sie haben dich verschont, weil du Bauchschmerzen hattest?«, fragte Wiesel verständnislos.
»Weil ich schwanger bin.« Regata lächelte.
»Ah«, sagte Wiesel überrascht. »Meinen Glückwunsch und Astartes Segen für dich und dein Kind. Aber was hat das jetzt für einen Belang?«
»Ich bin also auch eine Brutmutter. Woran erkennen wir, ob wir andere Wesen verstehen können? Dass sie nicht bloß Tiere sind?«
»Na ja«, sagte Wiesel. »Es hat wohl etwas mit Verstehen zu tun. Wenn sie reden, dann beweist das genügend Geistesschärfe und zeigt, dass sie keine Tiere sind.«
»So ähnlich ist es bei ihnen. Krieger können zwar reden, aber sie haben keine Rechte, sie dienen nur der Brutmutter. Für die K’aah sind andere Wesen dann keine Tiere, wenn es Brutmutter gibt, die ihre Brut beschützen und reden können.« Sie lächelte. »Brutmutter können mit ihren Gedanken sprechen.«
»Wie, das kannst du auch?«
»Nein«, sagte Regata. »Aber es sieht so aus, als ob die Brutmutter meine Gedanken lesen kann. Ich kann sie hören.«
»Und damit wurdet ihr Freunde?«, fragte Wiesel skeptisch.
»Nicht ganz«, entgegnete Regata. »Schau, es ist eigentlich einfach. Die Krieger hören auf das, was die Brutmutter sagt. Sie sieht, fühlt und hört alles, was die Krieger erleben. Sie hilft ihnen beim Denken, trifft die Entscheidungen. Und unter den Nekromanten gab es einen, der das Talent besaß, die Brutmutter zu kontrollieren, ihr zu befehlen, was die K’aah tun sollten. Miram hieß er, und Desina hat ihn vorhin erschlagen. Die Brutmutter hat mir den Kampf aus seinen Augen gezeigt.« Sie strahlte ihn an. »Mir klingeln immer noch die Ohren von dem Triumphschrei der K’aah, als ihm der Kopf von den Schultern flog. Verstehst du, Wiesel? Damit waren die K’aah frei von den Nekromanten. Und von denen sollte sich hier nun besser keiner sehen lassen. Unser Hass ist nichts im Vergleich zu dem, den die K’aah verspüren. Eine Brutmutter ist heilig, eine Tochter der großen Mutter, und sie auch nur zu berühren, ist eine größere Blasphemie, als wir sie uns vorstellen können.«
»Desina erschlug diesen Nekromanten, und deshalb sind die Echsen nun keine Feinde mehr, sondern unsere Freunde?«, fragte Wiesel ungläubig.
Regata nickte. »Desina hat den Bann über sie gebrochen, ohne es zu wissen.«
Wiesel kratzte sich am Kopf und sah die Brutmutter an, die ihre Lefzen zurückzog, ihm messerscharfe, fingerlange Zähne zeigte und drohend zischte.
»Sie lächelt«, beeilte sich Regata zu erklären, als Wiesel aus Reflex nach seinem Glücksbringer griff. »Sie ist von deiner Geistesschärfe beeindruckt, du hast es schließlich schon beim ersten Mal verstanden.«
»Ah… danke«, sagte Wiesel und warf der Brutmutter einen skeptischen Blick zu.
»Sie sagt, sie sei es nicht gewohnt, dass Männchen Dinge so schnell verstehen«, erklärte Regata. »Sie sagt zudem, dass sie beim nächsten Gelege ein paar Männchen ausbrüten will, die mehr Geistesschärfe besitzen. Sie will herausfinden, ob sie nützlich sein könnten.«
»Aha«, sagte Wiesel.
»Sie sagt auch, ich soll dir die Grabung zeigen, dann wüsstest du, was die Verfluchten hier wollen. Dann sollst du Desina sagen, dass die Brutmutter und alle ihrer Töchter auf ewig in ihrer Schuld stehen.«
»Ah…«
»Und es wäre auch nett, wenn Desina ein paar weibliche Federn hierher schickt, um zu besprechen, wie das Weitere vor sich gehen soll«, verkündete Regata. »Und noch eins: So
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