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Die Eule von Askir

Die Eule von Askir

Titel: Die Eule von Askir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Schwartz
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die Weiße Flamme auch nur einen einzigen Nekromanten verbrannt hätte! Die Angst, dass Kinder, die ein magisches Talent entwickeln, zu Nekromanten werden, ist eine obszöne Verdrehung dessen, was wahr ist«, fuhr sie bitter fort. »Es sind gerade die von den Göttern beschenkten Kinder, die Opfer von Nekromanten werden. Das Einzige, was der Kult vielleicht erreichte, war es, den Seelenreitern diejenigen vorzuenthalten, deren Seelen sie sich hätten nehmen können.« Sie blieb stehen, und Santer erkannte, dass sie vor Empörung oder Zorn fast am ganzen Körper zitterte. »Vielleicht war es dem Kult zu verdanken, dass die Seelenreiter die sieben Reiche mieden, um sich ihre Opfer anderswo zu suchen. Vielleicht halfen die Lichtbrände, die Reiche sicher zu halten, doch um welchen Preis? Tausende von unschuldigen Kindern mit magischen Talenten fielen diesen unheiligen Feuern zum Opfer, sodass es heutzutage kaum noch jemandem gibt, der ein Talent besitzt.« Sie holte tief Luft. »Der Kult ist nahe daran, sein Ziel zu erreichen und die Magie aus unserem Leben zu verbannen. Aber, Santer, glaubt mir, die Welt ist dadurch weitaus ärmer geworden.«
    »Hat der Kult denn auch versucht, Euch zu töten, Desina?«, fragte Santer.
    »Nein«, gab sie zur Antwort. Mit sichtlicher Mühe sammelte sie sich wieder und ging weiter, Santer an ihrer Seite. »Ich habe niemals auch nur ein Anzeichen von magischem Talent gezeigt«, erklärte sie. »Glaubt mir, Santer, niemand war überraschter als ich, als der Turm mir Einlass gewährte.«
    »Vielleicht sind andere dem Kult auch so entkommen«, meinte er nachdenklich.
    »Das ist möglich«, stimmte sie zu. »Nein, es ist sogar mit Sicherheit so. Es hilft ihnen nichts, denn die Maestros braucht der Kult ja gar nicht zu jagen. Die Kinder mit diesem Talent vergehen im Fanal, wenn sie ihre Fähigkeiten das erste Mal entdecken. Es braucht dazu nicht einmal die unheilige Hilfe der Weißen Flamme.«
    »Was ist das eigentlich genau? Das Fanal, meine ich«, fragte Santer.
    »Es ist einfach zu erklären«, sagte sie. »Einst ist die Magie in den Reichen viel stärker geflossen. Hier in Askir trafen sich damals sogar vier Ströme des Weltenflusses. Genau dort, wo der Turm der Eulen steht, befand sich ein Nexus von magischen Energien, wie es ihn in der Welt wohl kaum ein zweites Mal gab.
    Er war der Ursprung der Macht des Ewigen Herrschers und erlaubte ihm und den Eulen, diese magischen Werke zu vollbringen. Sagt, Santer, wisst Ihr, was die Talente eigentlich sind?«
    Er schüttelte den Kopf. »Nicht so genau.«
    »Es sind Gaben, die manche Menschen von den Göttern erhalten. Einige weniger, andere mehr. Ein Talent könnte es sein, im Dunkeln zu sehen oder über Wasser zu gehen, oder auch nur zu wissen, wo ein Baum am besten wächst. Ein solches Talent ist von den Göttern gegeben und liegt innerhalb des Wesens des Beschenkten. Weiter braucht es nichts, denn es ist der Wille der Götter, dass diese Gabe wirken soll. Das Talent eines Maestros ist anders, es ist nicht definiert. Es erlaubt ihm, magische Ströme zu sammeln und zu formen und zu verwandeln, aus sich heraus und aus der Magie, die unsichtbar für andere um uns herum fließt. Doch es ist eine mörderische Gabe, denn ein Maestro führt diese Kraft durch sich selbst hindurch, er ist selbst das Contuit’t’arcanis, die Seele der Magie, wie es die Elfen nannten. Vertut er sich, nimmt er zu wenig oder zu viel, misslingt das magische Werk mit allen Folgen, die daraus entstehen können. Wenn er nach zu viel greift, kann er hoffen, dass er die Kraft bändigen kann, doch greift er zu wenig, wird die Magie immer ihren Preis fordern. Die Elfen hatten ein Wort dafür: L’ceoste’fini’tae, was so viel heißt wie: Der Preis ist endlich, er steht fest. Oder auch: Jedes Werk fordert seinen Preis. Das ist der oberste Lehrsatz eines Maestros. Wenn ein Kind nun das Talent eines Maestros besitzt, wird es sich ihm irgendwann offenbaren, irgendwann wird ein Kind wollen, dass etwas geschieht… und instinktiv die Magie so formen, dass es geschehen wird. Mit Glück kann es die Magien formen, die sich um es herum befinden. Wenn nicht, wird das Wirken seinen Preis aus dem Kind selbst fordern. Das ist das, was dann Fanal genannt wird. Das Kind verbrennt im Feuer der Wandlung, der weißen Flamme, dem Fanal. Daher kommt der Name des Kults. Und das ist das Schicksal, das der Kult allen zugedacht hat, die von den Göttern je die Gnade eines Talents erhielten.« Sie

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