Die Eule von Askir
dabei«, entgegnete Wiesel und warf dem Wirt einen Blick zu, der deutlich machte, dass er nicht mehr über Taride sagen würde. »Es gibt noch mindestens einen weiteren Nekromanten in der Stadt, Istvan. Der wird der Mörder des Dieners sein. Gegen den war der Kerl, den ich umgelegt habe, harmlos. Der war nur der Kapitän des schwarzen Schiffs, über das sich hier jeder gewundert hat. Aber keiner genug, um sich mal richtig um den Kahn zu kümmern. Ich weiß mittlerweile, dass Ser Jenks Interesse an dem Schiff und dem Kapitän hatte, aber warum, das konnte Taride mir auch nicht sagen. Irgendwie hat es etwas hiermit zu tun.« Wiesel holte den Wolfskopf heraus und hielt ihn hoch, so dass Istvan ihn ansehen konnte.
»Der zweite Wolfskopf!«, rief Istvan überrascht. Er musterte ihn mit gefurchter Stirn. »Woher hast du den?«
»Aus der aldanischen Botschaft. Ich war in der Gegend und dachte, ich könnte mal schauen, ob ich etwas finde. Dieser andere Nekromant hatte wohl dieselbe Idee. Ich war dabei, als er einen Gardisten der Botschaft befragte, ob er den Stein gefunden hätte. Hatte er nicht, sonst hätte der Seelenreiter ihn nun in der Hand. Der Kerl ist ein Gardist und kein Dieb, er wusste nicht, wo er suchen sollte. Ich schon. Aber es war hauptsächlich Glück. Ich hörte, dass der Wolfskopf sich in der Botschaft befinden müsste, aber wo ich suchen sollte, wusste ich nicht. Ohne den Gardisten hätte ich ihn wohl auch nicht gefunden. Doch hier ist er, der zweite Wolfskopf!« Wiesel sah den großen Wirt an. »Wenn du Desina vor mir siehst, richte ihr aus, dass der Botschafter in die ganze Geschichte verwickelt sein muss. Er hatte den Wolfskopf in der Schublade seines Nachttischs.« Er holte tief Luft. »Als ich gestern sah, was der Seelenreiter mit dem Diener anstellte, wurde auch mir Angst und Bange. Ich war nur froh, dass es nicht mich getroffen hatte. Seitdem habe ich es mehr mit der Angst zu tun bekommen als in meinem ganzen Leben zuvor!«
Er hielt Istvan den Lederbeutel hin. »Ich muss noch mal los. Kannst du den für mich aufbewahren? Gib ihn Sina, wenn du sie siehst.«
»In Ordnung«, sagte der Wirt und steckte den Beutel ein. »Willst du nicht besser jemandem Bescheid sagen?«
»Nein«, meinte Wiesel. »Wenn ich es überhaupt jemanden erzähle, dann Sina. Aber vorher schaue ich mir dieses Schiff noch einmal an, denn der Kahn wirft Fragen auf. Er hat eine geringe Ladung aus Eisen- und Kupfererz und etwas Silber gelöscht, dann hat er Reis und so viel Ballaststeine aufgenommen, dass selbst eine Landratte wie ich bezweifelt, dass man ihn noch segeln kann. Warum sollte jemand das tun? Nein, da steckt mehr dahinter, und ich will wissen, was.«
»Sina zu informieren ist die beste Idee, die du bis jetzt hattest«, meinte Istvan. »Ich vergesse immer wieder, wer sie ist. Und das mit dem Schiff, das solltest du lassen. Sina wird sich darum kümmern.«
»Ich weiß. Aber bis da etwas geschieht, vergeht mir zu viel Zeit.« Wiesel stand auf. »Ich ziehe mich jetzt um und schaue mir das Schiff an. Danach gehe ich zu Sina. Versprochen.«
Istvan erhob sich behäbig und nahm die Laterne vom Haken. Er legte dem kleinen Mann eine schwere Hand auf die Schultern. »Sei vorsichtig, Wiesel. Wie soll ich es Sina erklären, wenn dir etwas geschieht?«
»Du selbst machst dir keine Sorgen um mich?«, fragte Wiesel.
»Um dich? Du bist das Wiesel.« Istvan lachte. »Mir Sorgen um dich zu machen, geht gegen meine Prinzipien.« Aber in seinem Blick stand etwas anderes zu lesen.
35
So ist das mit Istvan, man darf ihn eben nicht ernst nehmen, dachte Wiesel, als er sich wenig später durch das Fenster seines Raums im ersten Stock der Herberge davonstahl. Er nickte einem der Knechte Istvans, der am Tor der Herberge Wache hielt, freundlich zu und machte sich auf den Weg.
Genauso wenig wie Istvan es zugeben würde, fiel es auch ihm schwer, sich einzugestehen, wie wichtig ihm der Wirt war. Für Sina und Wiesel war er so etwas wie ein Vater.
Wiesel war vielleicht vier Jahre alt gewesen, als er sah, wie des Nachts ein gut gekleideter Mann ein verschnürtes Bündel in das Hafenbecken warf, das erbost aufschrie, als es ins kalte Wasser fiel. Damals konnte Wiesel noch nicht schwimmen, und er wäre beinahe selbst ersoffen, bevor er das Bündel herausfischen konnte – und das noch zu der Zeit, als dieses Meeresungeheuer sich im Hafen geaalt hatte!
Das Bündel war ein Kind, ein Mädchen, vielleicht ein Jahr jünger als
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