Die Euro-Lügner: Unsinnige Rettungspakete, vertuschte Risiken - So werden wir getäuscht (German Edition)
»notwendig« ist und was nicht. Und Angela Merkel, die eigentlich die Interessen der deutschen Steuerzahler vertreten müsste, hat das abgenickt.
Man erinnere sich: Als angesichts des baldigen Ausscheidens Jean-Claude Trichets der Italiener Mario Draghi ins Spiel gebracht wurde, erhoben sich in Deutschland Stimmen, die seine Qualifikation für dieses Amt infrage stellten. Nicht, dass man seine Befähigung als Banker anzweifelte – er war fünf Jahre lang Präsident der italienischen Nationalbank gewesen –, aber man war nicht überzeugt von seiner Methode, mit Geld umzugehen.
Seit Beginn des gemeinsamen Marktes hatten die Bundesbank und die Nationalbanken Frankreichs und Italiens einen unterschiedlichen Kurs gesteuert. Den Deutschen war Geldwertstabilität sehr wichtig, die anderen wollten mit ihrer Währung flexibel umgehen und sie bei Bedarf abwerten. Da man in Draghi einen Vertreter der Philosophie des »weichen Geldes« vermutete, lehnten viele Deutsche ihn ab. Dagegen wurde eingewendet, dass er in den vergangenen Jahren als italienischer Zentralbankchef einen »harten« Kurs gefahren sei. Dennoch, als die EZB gegründet wurde, wäre es absolut unvorstellbar gewesen, dass die Deutschen deren Führung einem Italiener überlassen.
Man erinnere sich an die Gründung 1998: Die Deutschen, die einen eigenen Kandidaten nicht hatten durchsetzen können, präferierten den Niederländer Wim Duisenberg, die Franzosen ihren eigenen Kandidaten Jean-Claude-Trichet. Beide hatten damals das Image stabilitätsorientierter Nationalbanker. Man einigte sich darauf, dass die Amtszeit des neuen EZB -Chefs zweigeteilt würde. Duisenberg sollte zuerst zum Zug kommen, nach ihm dann Trichet. In meinen Augen war das ein Unding, aber es gehörte eben zu den typisch europäischen Kompromissen, in denen sich die Machtverhältnisse widerspiegelten.
Es entsprach aber nicht der ursprünglichen Konzeption der EZB : Europa in geldpolitischer Hinsicht nach der Bundesbank auszurichten. Das war ja eine der Bedingungen der Deutschen dafür gewesen, die D-Mark aufzugeben. Nachdem man nun einen Franzosen ins Amt gehievt hatte, fiel es relativ leicht, einen Italiener folgen zu lassen. Der Dreischritt von Duisenberg zu Trichet und Draghi illustriert die Verschiebung der Prioritäten vom harten zum weichen Kurs. Konsequenterweise müsste der nächste EZB -Präsident ein Grieche sein.
Die deutschen Bedenken gegen den »Lira-König« Draghi wogen deshalb schwer, und entsprechend groß war das Bemühen der Befürworter, die Öffentlichkeit zu seinen Gunsten umzustimmen. Kaum war er als Nachfolger Trichets vorgeschlagen, begann in der deutschen Presse ein wahres Feuerwerk an Sympathiekundgebungen. Auch er selbst, aktiver Teil der Pro-Draghi-Kampagne, warb um die »Gunst der Deutschen«, wie die FAZ im März 2012 feststellte. Als wäre er von PR -Ratgebern aus dem Kanzleramt gesteuert, ließ er sich von der Bild -Zeitung zwei Tage lang in ausführlichen Interviews feiern.
Gebauchpinselt vom Boulevardblatt, schreckte er nicht einmal vor der Geschmacklosigkeit zurück, sich von der Bild -Zeitung mit einer Pickelhaube aus dem preußisch-französischen Krieg von 1871 ablichten zu lassen, überreicht von den Chefredakteuren Kai Diekmann und Nikolaus Blome. »Schlag auf Schlag«, so die FAZ , trat er in öffentlichen Veranstaltungen auf, um »die Deutschen mit einer Charme-Offensive zu gewinnen«. Passend zur Pickelhaube gestand er seine angebliche Schwäche für preußische Tugenden wie Sparsamkeit und Disziplin ein. Mehr noch, um letzte Zweifel an seinem stabilitätsorientierten Kurs zu zerstreuen, bestätigte er: »Deutschland ist ein Vorbild.«
Pustekuchen. Die damalige Frage der FAZ – »Ist das alles nur Show?« – erwies sich bald als nur zu berechtigt. Eine seiner ersten Aktionen bestand darin, europäischen Banken auf einen Schlag 1 Billion frisch gedruckten Geldes zu niedrigen Zinsen zu leihen. Kraft eigener Vollmacht setzte er sich damit über bewährte Zentralbankprinzipien hinweg. Eigentlich hätte von deutscher Seite ein Riesenaufschrei erfolgen müssen. Doch nicht einmal die Regierung reagierte, was sich erklären lässt: Wolfgang Schäuble muss sofort erkannt haben, welchen Vorteil ihm diese Selbstermächtigung des EZB -Präsidenten brachte. Um ständig neue Gelder für die Schuldenstaaten locker zu machen, musste er nicht mehr beim Bundestag vorstellig werden. Die Hilfsaktionen, die der Deutsche ohnehin befürwortete, gingen jetzt auf
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