Die Euro-Lügner: Unsinnige Rettungspakete, vertuschte Risiken - So werden wir getäuscht (German Edition)
worden, dass eine brandgefährliche internationale Spekulation die Existenz des Euro und damit ganz Europas gefährde. Auf die Frage, ob dieser bevorstehende Großangriff der amerikanischen Devisen-Heuschrecken einfach erfunden war, antwortete Pöhl: »Natürlich, das ist möglich. Es ist sogar plausibel.« Der FAZ -Artikel trug den Titel »Die Mär von der Spekulation«.
Welcher Zynismus, die Bürger mit falschen Szenarien zu ängstigen! Krisen bedeuten nun einmal Sorgen, Angst um Verluste, Ungewissheit über die eigene Zukunft. Natürlich ist an der These etwas dran, dass Gesellschaften, wie übrigens auch Unternehmen, in Krisensituationen besonders reformbereit sind. Von Max Frisch stammt der Satz: »Die Krise ist ein produktiver Zustand, man muss ihr nur den Beigeschmack der Katastrophe nehmen.« Das heißt aber nicht, dass man Krisen bewusst auslösen sollte, um Reformbereitschaft herzustellen.
Erst wenn man die Deutschen unter Druck setzt, so die Logik unserer Euro-Retter, sind sie bereit, ihre Souveränität nach Brüs sel abzugeben und damit aufzugeben. Das heißt, ob sie bereit sind, ist natürlich gar nicht die Frage – sie werden schließlich, anders als die Isländer, nicht befragt. Die Kanzlerin und ihr Finanzminister entscheiden für sie. Das erinnert mich an Henry Fords berühmten Satz: »Was gut für Ford ist, ist gut für Amerika.« Nur fürchte ich, er lässt sich nicht so anwenden, wie Schäuble das anzunehmen scheint. Denn »was gut für den Euro ist«, ist noch lange nicht gut für Deutschland. Und genauer betrachtet für Europa ebenso wenig.
Schäuble ist sehr geschickt darin, seine Absichten zu bemänteln. Ich erinnere mich, dass er zu Beginn der Krise versicherte, das Ganze werde die Deutschen nichts kosten, ja, sie würden daran noch verdienen. Anfang 2011, ich wohnte zu der Zeit für ein paar Monate in New York, gab er ein raffiniertes Statement ab. Er sagte nicht, was nur ehrlich gewesen wäre: Im Gegensatz zu all meinen bisherigen Ankündigungen werden die Deutschen ab jetzt für die Euro-Rettung bezahlen müssen. Stattdessen sagte er, dass sie sich »daran gewöhnen müssen, etwas mehr zu zahlen«.
Man muss sich diesen Satz auf der Zunge zergehen lassen. Was hat Schäuble mit ihm erreicht? Er hat den Eindruck erweckt, als sei er sich der Kosten von Anfang bewusst gewesen und hätte den Deutschen das auch immer schon gesagt. Geschickt kaschierte er, dass er eine radikale Kehrtwendung vollzogen hatte und sein Land vor vollendete Tatsachen stellte. Und damit die Deutschen diese bittere Pille auch anstandslos schluckten, schickte er, zweitens, den Trost hinterher, sie müssten nur »etwas mehr« zahlen. »Etwas mehr« von was? Vorher war doch noch von »nichts« die Rede. Und wie viel kann »etwas mehr« sein? Die Hunderte Milliarden an Bürgschaft, die er den Deutschen in der Folge aufbürden sollte, waren jedenfalls etwas mehr als »etwas mehr«.
Als die Bild -Zeitung ihn im April 2013 interviewte – man könnte auch sagen: einem eurohörigen Politiker ein eurohöriges Medium zur Verfügung stellte –, behauptete der Finanzminister Erstaunliches: Am Beispiel Zypern hätten die Euro-Retter bewiesen, dass die Situation nun endgültig unter Kontrolle und die Einheitswährung stabil sei.
Wie absurd diese Behauptung ist, die von der Bild -Zeitung nicht einmal hinterfragt wurde, geht schon daraus hervor, dass diese Krise bereits das fünfte Rettungspaket nötig machte – wo doch, laut Schäuble, schon das erste die Krise hatte beenden sollen. Hieß es damals: »nicht einen müden Cent mehr«, heißt es heute: »nur ein paar schlappe Milliarden mehr«. Und dabei hatte Schäuble noch Wochen zuvor behauptet, Zypern sei »nicht systemrelevant«, will sagen: Wenn die dort Schulden machen und pleitegehen, ist das ihr Problem. Mit einem Taschenspielertrick ist aus dem »ihr« ein »unser« geworden. Und keiner geht auf die Barrikaden. Die wirkungsvollste Waffe der Euro-Politiker scheint die Vergesslichkeit ihrer Wähler zu sein.
Liest man die Internetkommentare zu Schäubles Äußerungen, wird allerdings klar, dass die Mehrheit der Bild -Leser sein Spiel durchschaut hat. Nein, man will keine neuen Gelder an jene verteilen, die auf den Straßen mit Hassparolen gegen Deutschland auftreten. Den Finanzminister lässt das selbstverständlich unbeeindruckt. Als Merkels bester Mann ist seine Haltung ohnehin »alternativlos« – unter anderem auch deshalb, weil die Mehrheit der Deutschen, wie er
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