Die Euro-Lügner: Unsinnige Rettungspakete, vertuschte Risiken - So werden wir getäuscht (German Edition)
Verachtung« kennenlernen können. Ende 2012 wurde ich zu einer Tagung der italienischen Sektion des Aspen Institute, einer internationalen »Denkfabrik«, ins Berliner Adlon-Hotel eingeladen. Anwesend war auch der italienische Finanzminister Vittorio Grilli, der stolz von den Erfolgen der Monti-Regierung erzählte, die sich mittlerweile zum größten Teil in Luft aufgelöst haben. Im Gegensatz zu den Milliarden, die Euroland für Italien lockergemacht hat. Hinter dieser irrwitzigen Großzügigkeit steckte bekanntlich auch Wolfgang Schäuble, und er war ebenfalls ins Adlon gekommen.
Als ich den deutschen Finanzminister im Saal entdeckte, suchte ich Blickkontakt und wollte auf ihn zugehen. Er schaute starr durch mich hindurch, als wäre ich aus Glas. So etwas hatte ich noch nie erlebt. Ich existierte nicht mehr für ihn. Einzige Erklärung: Kritiker seiner Euro-Politik, wie ich einer bin, sind für ihn tot. Seine Geringschätzung verwandelt sie in Luft. Das harte, maskenhafte Gesicht, das er dabei zeigte, werde ich so schnell nicht vergessen.
5. Peer Steinbrück und Jörg Asmussen
Nicht nur im Kontext des Euro wird die Wahrheit von Politikern, sagen wir, den Wünschbarkeiten angepasst. Den zungenflinken Peer Steinbrück, Angela Merkels SPD -Herausforderer als Kanzlerkandidat, kenne ich seit seiner Zeit als Schleswig-Holsteins Wirtschaftsminister und Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident. Wir saßen uns auch schon in einer Talkshow-Diskussion Auge in Auge gegenüber. Für mich ist er eine Miniaturausgabe seines Vorbilds Helmut Schmidt, dessen berüchtigte »Schnauze« er womöglich zu übertreffen sucht. Verliebt in seine brillanten Formulierungen, denen er beeindruckt nachlauscht, scheint ihm deren Wahrheitsgehalt mitunter zweitrangig. Blind vor Selbstbewunderung tappt er denn auch in jedes Fettnäpfchen.
Dabei lässt sich in seiner Rhetorik eine ideologische Zweiteilung feststellen. Gegen die Schweiz als Steueroase fährt er schweres Geschütz auf: Der Kanzlerin empfiehlt er, gegenüber den Schweizern nicht nur Zuckerbrot, sondern auch die Peitsche einzusetzen, wie er es ausdrückte, was ihm bei den Eidgenossen den Spottnamen »Peitschen-Peer« eingebracht hat. Um die geheimnistuerischen Schweizer zur Botmäßigkeit zu zwingen, vergleicht er sie mit Indianern, die erst spuren, wenn die US -Kavallerie ausreitet. »Aber die muss nicht unbedingt ausreiten«, mildert er großzügig ab. »Die Indianer müssen nur wissen, dass es sie gibt.«
Gegenüber Putin wird der Lautsprecher dagegen zum Leisetreter. Den Schröder-Kumpel auf dem Zarenthron schont er, gibt sich angesichts der russischen Menschenrechtsverletzungen ausgesprochen zungenzahm. Auf keinen Fall, so rät er, solle man »auf dem Marktplatz« Kritik an diesem lupenreinen Demokraten üben. Der Zeit sagte er im März 2013 allen Ernstes, »dass unsere westlichen Maßstäbe pluraler Demokratie nicht unmittelbar auf Russland übertragbar sind« – will sagen: Lasst den Putin nur machen, er wird schon wissen, was für sein Volk gut ist.
Peinlich für ihn – ein echter Steinbrück-Fettnapf –, dass sein Toleranzappell am selben Tag durch die Presse ging, als russische Polizei in Moskau brutale Razzien gegen deutsche Parteistiftungen durchführte. In einem Kommentar wies die FAZ auf Steinbrücks »geistige Väter Helmut Schmidt und Gerhard Schröder« hin. Tatsächlich haben beide dieselbe »Realpolitik« getrieben: Wie Schröder die Russen schonte, deren Brot er dann aß, empfahl Schmidt noble Zurückhaltung gegenüber den chi nesischen Geschäftspartnern, für die Menschenrechte ein Fremdwort waren.
Schmidt, Schröder, Steinbrück und fast sämtliche meiner Kollegen, die in China Handel treiben und produzieren, vertreten die Ansicht, man »müsse es den Chinesen selbst überlassen, welches politische System sie bevorzugen«. Klingt irgendwie plausibel – nur scheint keinem aufzufallen, dass die korrupte und machtbesessene Clique in Peking gar nicht daran denkt, ihr eigenes Volk zu befragen, welches »politische System sie bevorzugen«.
Auch zur parteiüberspannenden Euro-Lüge hat Steinbrück sein Teil beigetragen. Als Finanzminister der Großen Koalition war er derjenige, der stolz die Fortschritte in der Liberalisierung der Finanzmärkte verkündete, die durch ihn und die Regierung Merkel herbeigeführt worden sind. Damals hatte ich ihn darin auch unterstützt – heute weiß ich, dass diese angeblichen Fortschritte zum Niedergang der deutschen
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