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Die Evangelistin

Die Evangelistin

Titel: Die Evangelistin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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Entbehrungen, die Angst, den Verlust deiner Liebsten. Er hat dich stark gemacht.
    Aber dieses Mal forderst du Ihn heraus, dich zum Märtyrer zu machen! Rabbi Jeschua haben die Römer für weniger ans Kreuz geschlagen – er hat die römische Herrschaft über Israel, niemals aber Rom selbst in Frage gestellt. Du aber untergräbst die Fundamente des römischen Tempels!«
    »Glaubst du wirklich, ich will leiden oder von Adonai gezüchtigt werden? Nein, Jakob, ich möchte glücklich sein. Und frei! Und ich will, dass es alle anderen auch sind. Ich werde mein Buch schreiben und das verlorene Paradies erschaffen.«
    Während der Überfahrt von der Insel Giudecca durch den Hafen, den Canal Grande entlang bis zum Campo San Stefano, sprach Jakob kein Wort und starrte ins dunkle Wasser.
    Yehiel, sein dreizehnjähriger Sohn, der in einigen Tagen Bar-Mizwa feiern würde, sah mich traurig an, während er uns durch den Canal Grande ruderte. Er hatte gehört, wie sein Vater und ich uns gestritten hatten.
    Der aufgeweckte Junge arbeitete im Kontor meines Bruders Aron am Rialto. Er half ihm bei der Buchführung und lieferte manchmal auch Waren aus, am liebsten die Leinenbeutel mit dem Scharlachrot, das Aron aus Alexandria importierte. Mein Bruder liebte Yehiel, als wäre er sein eigener Sohn. An manchen Abenden brachte er ihn zum Essen mit nach Hause. Doch in den letzten Wochen war Yehiel seltener bei uns gewesen, denn Aron hatte sehr viel zu tun und kam erst spät nachts nach Hause, um sich dann schweigend in sein Zimmer zurückzuziehen.
    Müde schloss ich die Augen und lehnte mich gegen die Reling des Bootes. Es war schon sehr spät: David, mein zweiter Bruder, würde sich Sorgen machen – ich hatte längst zu Hause sein wollen. Ich hoffte nur, dass er und Aron nicht mitten in der Nacht mit einigen Freunden aufgebrochen waren, um mich zu suchen, weil sie befürchteten, ich läge ohnmächtig und blutig geprügelt in einer dunklen Gasse. Es war der Tag, an dem die Gojim Jeschuas Himmelfahrt begingen, und an den christlichen Feiertagen pflegten sie in ihrem Hass auf die ›Gottesmörder‹ Juden zu überfallen, die allein und unbewaffnet unterwegs waren. So schnell wie möglich wollte ich nach Hause zurückkehren, bevor David und Aron sich in die Nacht hinauswagten.
    An der Anlegestelle neben der Ca’ Tron stieg ich aus.
    Jakob folgte mir, um sich von mir zu verabschieden. Er umarmte mich herzlich. »Ich bin dein Freund, Elija. Ich werde deinen Wunsch, dieses häretische Buch zu schreiben, respektieren, denn ich verstehe deine Gründe. Und ich vertraue dir, weil ich weiß, dass Elija ha-Chasid, Elija der Fromme, niemals vom rechten Weg des Glaubens abweichen wird.« Mit einem »Schalom!« drehte er sich um und stieg zu seinem wartenden Sohn ins Boot.
    Ich stand am Ufer und sah Jakob nach, der in der Finsternis verschwand – die Fackeln an den Fassaden der Palacios waren um ein Uhr nachts gelöscht worden.
    Dann legte ich mir meinen Tallit über die Schulter und schritt mit Ibn Shapruts Buch unter dem Arm an der Ca’ Tron entlang zum mondbeschienenen Campo San Stefano, dann weiter, an der großen Kirche vorbei, zum Campo San Angelo.
    Die Nacht war schön, und die Sterne am Himmel funkelten wie Diamanten auf schwarzem Samt. Nach dem Gewitter war die Luft kühl und erfrischend wie Quellwasser. Während ich durch die Nacht ging, genoss ich nach dem stundenlangen Eingesperrtsein in Jakobs Arbeitszimmer mit den geschlossenen Fensterläden die stille Einsamkeit der Gassen von Venedig.
    Ich erinnerte mich an Granada, wo ich oft meinen Palacio unterhalb der Alhambra verlassen hatte, um mitten in der Nacht in der Vega vor den Toren der Stadt allein spazieren zu gehen, um unter einem Olivenbaum sitzend dem Rauschen der alten Bäume zuzuhören, den Nachtwind in meinen Haaren zu spüren und den betörenden Duft des Jasmins zu riechen.
    In manchen Sommernächten war ich weit gewandert, bis zu der Stelle, die Suspiro del Moro, Seufzer des Mauren, genannt wird. Der Verräter Abu Abdallah Muhammad XII ., der letzte Sultan von Granada, den die Spanier respektlos el Rey Chico nannten, hatte von jenem Felsen aus einen letzten Blick auf die Alhambra und auf sein Königreich Granada geworfen, das er trotz seines Verrats verloren hatte.
    Granada, el paraíso perdido.
    Ich überquerte den Campo San Angelo. Bis zum Campo San Luca war es nicht mehr weit. Eine lange, dunkle Gasse, und ich war zu Hause.
    Ein Geräusch!
    Ich blieb stehen und lauschte.
    Zwei

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