Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Evangelistin

Die Evangelistin

Titel: Die Evangelistin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
Vom Netzwerk:
– in meinem Gewissen.
    Welch großartige Vision Elija hatte! Wie gern hätte ich ihm geholfen, das Verlorene Paradies zu erschaffen! Aber nun ist der Traum zerstört – durch meine Schuld!«

    »Celestina!«, keuchte David, als er in meine Bibliothek stürmte. Er war die beiden Treppen hinaufgelaufen. »Celestina, du musst sofort mit mir kommen!« Er rang nach Luft. »Etwas Furchtbares ist geschehen!«
    Er ergriff meine Hand und riss mich aus dem Sessel vor meinem Schreibtisch – seit dem Morgen hatte ich an meinem Buch gearbeitet.
    »Was ist geschehen?«, fragte ich entsetzt, während er mich hinter sich her zur Treppe zog.
    »Elija will fliehen!«
    »Was?« Ich blieb stehen.
    »Vor einer halben Stunde stand er plötzlich mit gepackten Taschen vor uns und verabschiedete sich von Aron und mir. Keiner von uns ahnte, dass er fortgehen will!«, rief er verzweifelt. »Vor drei Tagen kam ein Brief aus Granada. Tarik ar-Rashid, ein enger Freund, der vom Islam zum Christentum konvertiert ist, hat uns geschrieben: Die Inquisición hat Elija zum Tode verurteilt! Eine Strohpuppe mit seinem Namen wurde in Córdoba auf dem Scheiterhaufen verbrannt!
    Elija fürchtet, dass Kardinal Cisneros ihn mit Gewalt nach Córdoba entführen lässt, um ihn doch noch zu verbrennen! Denn er lebt ja als Jude in Venedig! Elija will die Stadt verlassen, um seine Familie zu schützen.
    Komm mit mir, Celestina!«, flehte David. »Er hat ein Schiff bestiegen! Es läuft in Kürze aus!
    Nur du kannst Elija jetzt noch aufhalten!«

· E LIJA ·
K APITEL 14
    Der Wind von der Lagune riss an meinen Haaren. Ich lehnte mich gegen die Bugreling.
    Ich wandte mich nicht um und blickte zurück nach San Marco, zum Dogenpalast, zur Basilika und zum Campanile, die wie Celestinas Palacio mit jedem Ruderschlag der Galeere weiter hinter mir zurückblieben. Hinter dem Lido würde ich Venedig, das fünf Jahre lang meine Heimat gewesen war, nicht mehr sehen können. Wie glücklich war ich hier mit ihr gewesen!
    Sie würde Tristan heiraten, noch bevor ich Jeruschalajim erreichte. In seinen Armen würde sie mich vergessen.
    »Was willst du in der Wüste?«, hatte Asher Meshullam mich vor Wochen gefragt. »Den Steinen und dem Sand Gottes Wort verkünden? Jeruschalajim liegt in Trümmern. Auf dem Tempelberg steht eine Moschee. Und in der Stadt gibt es mehr Kirchen als Synagogen oder Talmudschulen. Was, um Himmels willen, willst du dort?«
    Blinzelnd gegen die Gischt der Wogen wandte ich den Blick nach Südosten: nach Israel.
    Eine Windbö riss einen verzweifelten Schrei mit sich: »Elija!«
    Eine Möwe?
    Mein Blick irrte zum Himmel, doch kein Vogel war zu sehen.
    »Elija … flehe dich an … geh nicht!«
    Celestina?
    Stolpernd hastete ich zum erhöhten Heck der Galeere. Dann sah ich sie! David ruderte sie in ihrer Gondel über die Lagune.
    Meine Hände verkrampften sich um die Reling.
    In diesem Augenblick dachte ich, mein Herz würde zerreißen.
    Der venezianische Kapitän trat neben mich … sah die Gondel … sah den verzweifelten Bruder … sah die Geliebte … blickte mir ins Gesicht … dann wandte er sich ab und gab den Befehl, die Ruder der Galeere aus dem Wasser zu heben, damit die Gondel längsseits gehen konnte.
    Wie versteinert stand ich am Heck, während sie an Bord kam.
    Sie fiel mir um den Hals und hielt mich fest. »Bitte verlass mich nicht, Elija! Verlass uns nicht!«
    »Uns?« , fragte ich bestürzt und sah David an, der meine Reisetasche an sich genommen hatte, um sie zur Gondel hinüberzutragen.
    Mein Bruder nickte, als ob er wüsste, von wem sie sprach.
    »Mich und deinen Sohn: Netanja.«

    Tief atmete ich ihren Duft ein, während ich meinen Arm um sie legte und mein Gesicht in ihren Haaren vergrub.
    Ich hatte gedacht, ich würde nie mehr lieben. Wie glücklich ich war!
    »Du bist also wirklich schwanger?«, fragte ich gerührt.
    Sie nickte lächelnd und schmiegte ihren nackten Körper an meinen. »Es muss bei unserem ersten Mal passiert sein. In der Dachkammer des Dogenpalastes.«
    Ich küsste sie. »Dann ist diese staubige Kammer wirklich das Königreich der Himmel.«
    Mit ihr im Arm ließ ich mich in die Kissen sinken. Sie legte ihren Arm über meine Brust und streichelte mich.
    Nach einer Weile fragte sie: »Wärst du jemals zurückgekehrt?«
    »Nein«, gestand ich mit gesenktem Blick.
    »Wohin wolltest du?«
    »Nach Jeruschalajim. Ich wollte ihm nachfolgen.«
    Die Frage, die sie wohl am meisten bewegte, stellte sie nicht: Bist du sein

Weitere Kostenlose Bücher