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Die Evangelistin

Die Evangelistin

Titel: Die Evangelistin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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Sohn?
    »Willst du dein nazoräisches Evangelium noch immer schreiben?«
    »Ja, das will ich!«
    »Lass uns das Verlorene Paradies gemeinsam suchen!«
    Dann nahm sie meine Hand und führte mich zurück ins Paradies der innig Liebenden.

    Wir bekommen ein Kind.
    Vier Worte mit hundert Bedeutungen: Liebe, Hoffnung, Freude und Glückseligkeit, aber auch Verantwortung und Ängste … ja, auch Ängste. Auf unserer langen Reise zu uns selbst hatten Celestina und ich die Grenzen zweier Kulturen überschritten – irgendwann würden wir uns für eine entscheiden müssen.
    Celestina hatte den Brief aus Granada gelesen, in dem mein Freund Tarik mir von dem Todesurteil und der Verbrennung der Strohpuppe mit meinem Namen vor der Mezquita von Córdoba berichtete. Hatte Kardinal Cisneros mich sechs Jahre nach Sarahs und Benjamins Tod und meiner Flucht durch Frankreich und Italien nun doch gefunden?
    Stundenlang berieten wir darüber, was wir tun konnten. Fliehen wollten wir nicht. Sollte ich mich unter den Schutz des Consiglio dei Dieci stellen? Nein, das war wegen Tristan ausgeschlossen. Also blieb uns nur die bange Hoffnung, dass Kardinal Cisneros und seine franziskanischen Häscher mich niemals finden würden.
    Tristan kam tagelang nicht nach Hause – das Wort ›nach Hause‹ war Celestina so herausgerutscht, als sie mir davon erzählte. Sie hatte sich mit ihrer Hochzeit mit ihm abgefunden, als David ihr von meiner Flucht erzählte. In den letzten Wochen hatte Tristan bei ihr in der Ca’ Tron gewohnt, weil er wegen der bevorstehenden französischen Invasion als Consigliere dei Dieci sehr viel zu tun hatte und ihm der nächtliche Weg über den Ponte di Rialto in die Ca’ Venier zu weit war. Seit seine Amtszeit als Vorsitzender des Zehnerrates beendet war, stand er in Verbindung mit König François, der ein gewaltiges Heer sammelte, um erneut in Italien einzufallen. Seit einigen Tagen hatte Tristan den Palazzo Ducale nicht verlassen. Da Leonardo Loredan schwer erkrankt war, übernachtete er sogar bei ihm in der Dogenwohnung.
    In einem Wirbelsturm von Gefühlen bereiteten Celestina und ich uns gemeinsam auf die schönste aller Lebensaufgaben vor. Immer wieder bat ich sie, mir zu erzählen, was sie in dem Augenblick empfunden hatte, als sie erkannte, dass sie mein Kind unter ihrem Herzen trug. Celestina wollte das Kind. Von Anfang an nannte sie es Netanja – Gottesgeschenk, obwohl sie doch gar nicht sicher sein konnte, dass es wirklich ein Junge sein würde.
    Wir waren nicht mehr allein. Wenn wir eng aneinander geschmiegt im Bett lagen und von einem gemeinsamen Leben träumten, uns zärtlich liebkosten und einander Lust bereiteten, war da immer noch jemand anderer – ein kleines Menschenkind. Ich genoss es, meine Hand auf ihren Bauch zu legen und sie sanft zu streicheln. Ich war so glücklich! Und, ehrlich gesagt, war ich auch ein wenig stolz darauf, noch einmal Vater zu werden. Nach Benjamins Tod hatte ich den Gedanken an ein Kind endgültig begraben.
    Wir verbrachten viel Zeit miteinander. Hand in Hand gingen wir in den Gassen von Venedig spazieren und ruderten mit der Gondel auf die Lagune hinaus, um ein paar Stunden allein zu sein und uns mit der Strömung der Gezeiten treiben zu lassen. Nachdem wir das Grab des Evangelisten Markus in der Basilica di San Marco besucht hatten, begannen wir mit der Übersetzung seines Evangeliums ins Hebräische, die nach nur zehn Tagen abgeschlossen war.
    Mit Menandros führte ich in dieser Zeit lange und sehr ernsthafte Gespräche. Er habe lange nachgedacht, gestand er mir. Er habe mit sich gerungen, doch am Ende seine Zweifel überwunden. Er wolle mir sehr gern helfen, mein Buch zu schreiben und das Königreich der Himmel, in dem alle Menschen in Frieden leben könnten, zu verwirklichen. Er war begeistert von meiner … von Jeschuas Vision.
    »Das Joch des Himmelreichs ist nicht leicht zu tragen!«, warnte ich ihn. »Mit jedem Schritt wird es schwerer werden.«
    »Und Jeschua sprach zu seinen Jüngern: Wer mit mir gehen will, der nehme sein Kreuz und folge mir nach!«, sagte er sehr ernst. » Das wolltest du doch sagen, nicht wahr? Elija, ich bin schon zu weit mit dir gegangen, als dass ich jetzt umkehren wollte! Ich will dich deinen Weg nicht allein gehen lassen!«

    »Sag mir, Elija: Wie liebt man seine Feinde?«
    Arm in Arm mit Celestina verließ ich nach dem Erev-Schabbat-Gottesdienst die Synagoge, um zum Abendessen nach Hause zu gehen. Ich blieb stehen und wandte mich um.
    Es war

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