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Die Evangelistin

Die Evangelistin

Titel: Die Evangelistin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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Tisch, die laut zu Boden polterten.
    »David!«, schrie ich.
    Dann half ich Menandros beim Hinlegen und zerrte an seiner blutnassen Kleidung.
    »David!«
    Schritte auf der Treppe!
    War er schon zurückgekehrt?
    Dann hatte ich die Knöpfe von Menandros’ Jacke aufgerissen, den Brokatstoff auseinander geschlagen – und erschrak. Hatte Santángel mit dem Dolch sein Herz getroffen?
    David erschien in der Tür, die langen Haare noch von Schneeflocken bedeckt. Er war gerade erst zurückgekehrt!
    »Lass mich ihm helfen!« Mein Bruder drängte mich zur Seite, beugte sich über Menandros und zerriss das blutige Seidenhemd. »O mein Gott!«, stöhnte er.
    Celestina stürmte in den Raum und fiel mir um den Hals. Dann erst sah sie das viele Blut. »Du bist verletzt!«
    »Es geht mir gut«, beruhigte ich sie. »Es ist sein Blut. Menandros hat mir das Leben gerettet.«
    »Elija, hilf mir!«, befahl David und wies auf eine inzwischen blutdurchtränkte Kompresse an Menandros’ Hals. »Die Halsschlagader ist verletzt. Drück die Leinenbinden gegen seinen Hals, um das Blut zu stillen. Ich muss mich zuerst um die Wunde an seinem Herzen kümmern. Celestina, hol alle sauberen Bettlaken, die du finden kannst. Ich brauche sehr viel Verbandsmaterial! Judith, hol heißes Wasser! Angelo, hilf mir, Menandros aufzurichten! Er erstickt sonst an seinem Blut! Stell dich hinter ihn und halt ihn fest! Nicht so, du tust ihm weh! Ja, so ist es gut!«
    Menandros’ Blut rann über meine Finger und tropfte auf den Tisch. Ich presste ein neues Leinentuch gegen seinen Hals, aber auch das war nach wenigen Augenblicken nass von seinem Blut.
    Er ergriff meine Hand und drückte sie.
    »Du hast mir das Leben gerettet!«, flüsterte ich.
    Er wollte etwas sagen, doch es war kaum mehr als ein Röcheln.
    Er war so schwach!
    »Pater noster, qui es in coelis – unser Vater im Himmel …«, murmelte Angelo, der neben mir stand und Menandros festhielt. Dann besann er sich und betete auf Hebräisch weiter: »Awinu sheba shamajim … jitkadesh sh’mecha … tawo malchutecha – Dein Reich komme … Dein Wille geschehe …«
    Celestina brachte die Bettlaken, wollte sie David geben, doch der schüttelte nur verzweifelt den Kopf.
    »… und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben …«
    »Ich kann nichts tun«, resignierte David und fuhr sich mit dem blutigen Handrücken über die Stirn. »Er stirbt.«
    Celestina trat neben mich.
    Ein Lächeln huschte über Menandros’ Lippen. »Ich liebe dich …«
    »… in Ewigkeit. Amen!«, beendete Angelo das Gebet.
    Celestina beugte sich über den Sterbenden und küsste ihn. »Ich liebe dich auch, Menandros!« Tränen rannen über ihr Gesicht und vermischten sich mit seinem Blut. »Auch wenn du fortgehst, wirst du immer bei uns bleiben«, schluchzte sie. »In unseren Herzen!«
    Er nickte und ergriff meine Hand. »Elija, versprich mir … dass du nicht stehen bleibst … auf deinem Weg … Durchquere unbeirrbar … die Wüste der Ignoranz und der religiösen Intoleranz … und finde das verlorene Paradies … Du bist auf dem richtigen Weg! … Ich bin …« Er hustete Blut und rang nach Atem. »Ich bin … sehr gern … ein Stück dieses Weges … dieser Via Dolorosa … mit dir gegangen, mein Freund … Denn es war doch auch Jeschuas Weg … Folge ihm nach, Elija!«
    Seine Kräfte schwanden.
    »Das werde ich!«, versprach ich ihm.
    Er wollte noch etwas hinzufügen, doch seine Stimme versagte.
    Da zog er meine Hand auf seine Brust, und ich beugte mich tief über ihn, um zu verstehen, was er mir mit seinem letzten Atemzug anvertrauen wollte.
    »Elija, ich weiß, wer du bist …« Menandros lächelte. Dann hauchte er seinen Atem aus und starb.
    Ich konnte die Tränen nicht mehr zurückhalten und weinte. Angelo legte mir tröstend seine Hand auf die Schulter.
    Mein Freund, der mir das Leben gerettet hatte, war tot.
    Er hatte sich für mich geopfert!

    David und ich wuschen Menandros nach jüdischem Ritus. Damit brachen wir unsere Naziratsgelübde, denn einem Nazir ist es verboten, Tote zu berühren. Aber Menandros war nicht irgendein Toter – er war ein Freund, ein Mitglied unserer Familie.
    Mit der Gondel brachten wir seine sterblichen Überreste zur orthodoxen Kirche, wo Angelo eine Totenmesse hielt.
    Nach dem Gottesdienst ruderten wir unseren Freund hinüber zur Insel San Michele, wo wir ihn bestatteten und an seinem Grab gemeinsam beteten. Dann kehrten wir nach Hause zurück und trauerten um unseren toten Bruder.
    Drei

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