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Die Evangelistin

Die Evangelistin

Titel: Die Evangelistin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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jüdischen Feiertag nicht nachts durch Venedig laufen! Das ist lebensgefährlich! Wir müssen sie aufhalten!«
    Mit fliegender Soutane stürzte Angelo hinter mir zur Tür. »Verlasst auf keinen Fall das Haus!«, rief ich Celestina, Judith und Esther zu. Dann eilte ich mit Angelo, David und Menandros die Treppe hinunter, riss die Haustür auf und stürmte auf den nächtlichen Campo San Luca.
    Ein Schatten, der vor mir zurückwich.
    Fray Santángel?
    Hatte er die Casa beobachtet, als Aron und Marietta so plötzlich aus dem Haus geflohen waren?
    Als der Mönch im Schein der Leuchter in den Fenstern des Hauses die scharlachrote Soutane des Erzbischofs erkannte, wandte er sich erschrocken um und floh in den Schatten der Gasse, die zur Piazza San Marco führte.
    Mit dem blitzenden Dolch in der Hand stürzte ihm Menandros nach, bevor ich ihn aufhalten konnte.
    »Wir müssen Aron und Marietta finden!«, rief David. »Vielleicht sind sie zu Mariettas Palacio geflohen.«
    »Angelo, David, sucht nach ihnen! Ich muss Menandros finden. Er darf Fray Santángel auf keinen Fall allein verfolgen.«
    Wir trennten uns.
    Ein tödlicher Fehler.

    Wohin war Menandros verschwunden?, fragte ich mich, als ich in Richtung San Marco durch die Gassen rannte.
    Würde der fliehende Mönch so töricht sein, auf der Merceria in der Nähe der Piazza einem Signor di Notte in die Arme zu laufen?
    Ich blieb stehen.
    Dann bog ich nach links in eine unbeleuchtete Gasse ein, die zum Konvent San Salvadòr führte. Es hatte zu schneien begonnen, und die Schneeflocken behinderten meine Sicht. Schritt für Schritt tastete ich mich vorwärts, die linke Schulter an der Hauswand, den Dolch in der rechten Hand.
    Eine verschneite Gasse, die nach rechts zur Piazza San Marco führte.
    Lautlos huschte ich auf die andere Seite, lehnte mich gegen die Backsteinwand und spähte vorsichtig um die Ecke. Soweit ich sehen konnte, war die Gasse leer.
    Das dachte ich jedenfalls …
    Wenig später hatte ich die Brücke über den Rio di San Salvadòr erreicht.
    Erneut blieb ich stehen und lauschte.
    Die Wellen plätscherten träge gegen die Fundamente des Konvents. Die festgemachten Gondeln schlugen rhythmisch aneinander. War da nicht noch ein anderes Geräusch gewesen?
    Ich horchte in die Stille.
    Dann huschte ich weiter, vorbei an einer dunklen Sackgasse.
    Nur ein paar Schritte noch, und ich hatte die Merceria erreicht. Nach links ging es an der Kirche San Salvadòr vorbei zum Ponte di Rialto, nach rechts zur Kirche San Zulian und weiter, unter dem Uhrturm hindurch, zur Piazza San Marco.
    Dann hörte ich es!
    Schritte.
    Hinter mir!
    »Buenas noches, Rabino!«
    Ich fuhr herum: Dort stand er im dichten Schneetreiben.
    Mein Todesengel.
    Fray Santángel.
    Meine Finger verkrampften sich um den Dolch in meiner Hand, als er langsam näher kam.
    »Du kannst deinem Schicksal nicht entfliehen, Jude. Du wirst brennen!«, drohte er mir. Er hob beide Hände, als wollte er mich festhalten, weil ich vor ihm zurückwich. »Kardinal Cisneros hat den allergrößten Respekt vor dir. Und so hat er großmütig entschieden, dass du vor der Kathedrale von Granada verbrannt wirst. Du willst Granada doch noch einmal sehen, nicht wahr?«
    Ich antwortete nicht und wich einen weiteren Schritt zurück.
    Die Spitze eines Dolches bohrte sich in meinen Rücken.
    Einer von Santángels Häschern stand hinter mir!
    »Keine Bewegung, sonst wird die Klinge dein Herz durchbohren!«, flüsterte der Mann auf Spanisch. »Lass den Dolch fallen, Jude!«
    Wie viele Spanier waren nach Venedig gekommen, um mich zurückzuholen? Wie viele Männer hatten mich durch die nebeligen Canali gejagt? Wo waren die anderen?
    Um Gottes willen: Wo war Menandros?
    »Wirf die Waffe weg!«, zischte der Mann hinter mir. »Sofort!«
    Langsam hob ich die Hand mit dem Dolch, als wollte ich die Klinge fallen lassen. Doch dann holte ich aus und schleuderte sie in Richtung Santángel. Mit einem gotteslästerlichen Fluch wich der überraschte Mönch der Klinge aus. Der Dolch fiel zu Boden, schlitterte über den feuchten Lehm der Gasse und blieb zwei Schritte hinter Santángel im Schnee liegen.
    »Maldito Judío!«, fluchte der Mann hinter mir.
    Der Druck des Dolches gegen meinen Rücken ließ nach, als er über meine Schulter sah, ob Santángel verletzt war.
    Im selben Augenblick stürzte ich nach vorn, einen Schritt, zwei Schritte, drei, vier, prallte mit der Schulter hart gegen den verblüfften Mönch, riss ihn um, sodass er in den Schnee

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