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Die Evangelistin

Die Evangelistin

Titel: Die Evangelistin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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Wochen im Kerker. Sollte ich in Menandros’ Bett zurückkriechen und noch ein paar Stunden schlafen? Nein, ich wollte nicht mehr allein sein! Und so ließ ich die orientalische Robe zu Boden gleiten, glitt nackt unter die Decke, schmiegte mich eng an sie und legte meinen Arm schützend um Celestina und meinen kleinen Sohn.
    Nach der Geburt war sie nach jüdischem Gesetz rituell unrein, doch daran verschwendete ich keinen Gedanken.
    Denn sie war das Einzige, was mir noch geblieben war.

    »Du darfst die Braut küssen!«, lächelte ich.
    Tristan, der während der feierlichen Zeremonien unserer Trauung in San Marco einen Schritt hinter mir gestanden hatte, war verdutzt: »Aber du bist der Bräutigam, Elija!«
    Celestina lachte ausgelassen, drängte mich ungestüm zur Seite, fiel ihm um den Hals und küsste ihren Trauzeugen vor der Pala d’Oro, dem goldenen Altar. Der Patriarch, der uns auf Wunsch des Dogen getraut hatte, runzelte missbilligend die Stirn.
    »Bist du glücklich, mein Schatz?«, flüsterte Tristan bewegt und hielt sie umschlungen.
    »Ja!«, hauchte sie. »Tristan, ich bin sehr glücklich, dass du mich gehen ließest!«
    »In jener Nacht in Florenz, als wir die Ringe tauschten, habe ich geschworen, dir niemals deine Freiheit zu nehmen«, erinnerte er sie.
    Dann umarmte er auch mich und küsste mich auf beide Wangen. »Ich wünsche euch beiden … euch dreien alles Glück dieser Welt, Elija!«
    »Danke, Tristan«, entgegnete ich. »Ich bin sehr froh, dass du mein Freund bist. Und dass du Netanjas … Leóns Taufpate sein willst.«
    Tristan überspielte seine aufwirbelnden Gefühle mit einem Scherz: »Nun solltest du aber die Braut küssen, Elija!«, grinste er verschmitzt, legte mir die Hand auf die Schulter und schob mich zu Celestina.
    Ihr Kuss war atemberaubend.
    Der Prokurator Antonio Tron, unser zweiter Trauzeuge, reichte mir die Hand. »Alles Gute, Juan … Elija! Willkommen in der Familie Tron!«
    »Danke, Antonio! Du hast dich dafür eingesetzt, dass ich Venezianer werden konnte. Ohne deine beherzte Rede im Senat wäre die Hochzeit eines jüdischen Converso aus Spanien mit einer venezianischen Adligen völlig undenkbar gewesen. Ich ahne, wie enttäuscht dein Freund Zaccaria Dolfin von dir ist. Ich bin dir sehr dankbar!«
    Dann nahmen Celestina und ich die Glückwünsche des Dogen und des Prokurators Antonio Grimani entgegen, der uns auch die herzlichen Grüße seines Sohnes übermittelte. Kardinal Domenico Grimani ließ fragen, ob wir denn nicht zum Karneval für einige Wochen nach Rom kommen wollten.
    Hand in Hand verließen wir wenig später die Basilika und traten hinaus auf die Piazza San Marco.
    Nicht weit entfernt warteten David und Judith, die den schlafenden Netanja auf dem Arm hielt, um uns Glück zu wünschen. Neben ihnen stand mein Freund Jakob mit Yehiel und Esther, die seit einigen Tagen verlobt waren. Als Juden waren meine Familie und mein Freund beim Gottesdienst in San Marco nicht erwünscht gewesen.
    David drückte mich fest an sein Herz. »Masel tow, Elija! Ich wünsche euch und eurem Sohn so viel Glück, wie ihr nur ertragen könnt!«
    »David, du weißt, dass ich sehr viel ertragen kann«, lachte ich.
    »O ja!«, grinste er, aber ich sah ihm seine Traurigkeit an: Aron war nicht bei uns. Wir wussten nicht, wohin er mit Marietta geflohen war und zu welchem Glauben er sich nun bekannte, dem christlichen oder dem jüdischen. Unser Bruder war für uns verloren.
    Ich war froh, dass David ohne Wenn und Aber meine Entscheidung akzeptierte, fortan als Christ zu leben. Und während unseres langen Spaziergangs in Murano vor einigen Tagen war er erleichtert gewesen, als ich ihm sagte, dass ich keinen Grund sähe, warum er nicht weiter als nazoräischer Jude leben sollte. Noch nie war mir David so nah gewesen wie in den furchtbaren Wochen seit der Weihnachtsnacht, als wir in der Synagoge das gekreuzigte Christkind gefunden hatten!
    Dann umarmte mich auch Judith, die meinen Sohn im Arm hielt, sehr herzlich. Und sie sagte etwas, das mich tief in meinem Herzen berührte:
    »Ich glaube, dass Sarah deine Entscheidung billigen würde. Ich weiß noch, wie ihr in der Alhambra geheiratet habt. Ihr wart so glücklich! Ja, Elija, meine Schwester hätte Verständnis dafür, dass du nach den Jahren der stillen Trauer endlich wieder geheiratet hast! Denn sagt nicht ein weiser Rabbi im Talmud, dass der Mann eine Gefährtin sucht, um in ihr das wiederzufinden, was er verloren hat?«
    Judith rang sich ein

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