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Die Evangelistin

Die Evangelistin

Titel: Die Evangelistin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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den Innenhof zur Freitreppe, die gegenüber der Porta della Carta zur Loggia hinaufführte. Dann verschwand sie im dunklen Torgang, um wenig später die Gondel in den überfluteten Hof zu schieben.
    Über die Stufen der Treppe stieg ich in die schwankende Gondel und ließ mich in den vom Regen völlig durchnässten Sessel sinken. Das Buch von Ibn Shaprut hielt ich immer noch fest an meine Brust gepresst.
    Eine Wehe raubte mir den Atem.
    Die Zeit drängte!
    Mit aller Kraft ruderte Alexia die Gondel durch die Porta della Carta, quer über die Piazzetta in die Wellen des Canalazzo hinaus, bis wir schließlich die Ca’ Tron erreichten. Dann zog sie mich aus dem Sessel und schob mich auf den Bootssteg. Gemeinsam flohen wir ins Haus, wo das Wasser inzwischen die vierte Stufe erreicht hatte.
    Der Weg die Treppen hinauf zu meinem Schlafzimmer war eine Tortur. Erschöpft sank ich schließlich in meinen nassen Kleidern auf das Bett. Alexia wollte mir die Stiefel ausziehen, doch ich befahl ihr:
    »Lass nur! Ich schaffe das allein. Rudere zu Davids Haus. Er soll sofort kommen! Sag ihm, es ist so weit!«
    Sie nickte und verschwand.
    Stöhnend sank ich in die Kissen und schloss einen Herzschlag lang die Augen.
    Dann öffnete ich die Schleifen des Hemdes, richtete mich auf und versuchte den nasskalten Seidenstoff über den Kopf zu ziehen, aber er klebte an meiner Haut. Drei Mal versuchte ich es vergeblich. Schließlich sank ich keuchend vor Anstrengung auf das Bett und schleuderte das Hemd durch den Raum. Und nun die Hose …
    Eine neue Wehe! In die Kissen gelehnt wartete ich mit zusammengebissenen Zähnen, bis der Schmerz erträglicher wurde.
    Und nun die Hose! Aber ich musste mich zu weit aufrichten, um sie auszuziehen, und mein Bauch war mir im Weg. Schwer atmend ließ ich mich auf das Bett zurückfallen.
    Dann tastete ich nach den Nähten und zerriss sie.
    Schließlich gelang es mir, mich aus der nassen Hose zu befreien. Ich warf sie vor das Bett, legte mich auf die Bettseite, die nicht durch meine Kleidung feucht geworden war, und zog die warme Decke über mich.
    Meine Zähne klapperten – ich fror entsetzlich!
    Das Feuer im Kamin brannte nicht, im Schlafzimmer war es eiskalt. Ob ich es schaffen würde, zum Kamin hinüberzukriechen, um das Feuer …
    Wie eine Meereswoge überspülte mich der heftige Schmerz.
    Netanja, mein kleiner Prinz, nicht so ungestüm! Dein Onkel David ist noch nicht hier, um dir auf die Welt zu helfen.
    Ich hatte panische Angst! Netanja kam zu früh! Würde er die Geburt überleben? Die Bedingungen waren denkbar schlecht. Nichts war vorbereitet! Ich fror erbärmlich in einem viel zu kalten Schlafzimmer. Und David war immer noch nicht da! Wo blieb er denn nur?
    Die Wehen waren jetzt stärker und häufiger.
    »Netanja hat das Temperament seines Vaters«, hatte Tristan vor einigen Tagen gesagt.
    Ein neuer Schmerz riss mir das Lächeln von den Lippen, und ich wand mich in den Kissen.
    »Celestina!«
    David setzte sich neben mich auf das Bett und schlug die Decke zurück. »Es ist so weit! Judith, zünde eine Kerze an. Ich brauche Licht! Und mach Feuer im Kamin. Es ist viel zu kalt – Celestina friert. Alexia, hol Tücher und warme Decken. Und heißes Wasser. Beeil dich, das Kind kommt!«
    Ich war nicht mehr allein. Wie liebevoll David um mich besorgt war!
    »Judith, hilf mir, Celestina aufzurichten. Ein paar Kissen in den Rücken! Ja, so ist es gut.« Dann küsste David mich zärtlich auf das schweißnasse Gesicht. »Bald hast du es geschafft, Celestina. Es dauert nicht mehr lange.«
    Eine neue Woge von Schmerz überrollte mich.
    »Atmen!«, befahl David.
    Judith lag neben mir auf dem Bett und hielt mich fest in ihren Armen. Immer wieder flüsterte sie: »Alles wird gut!«, und strich mir über das wirre, nasse Haar.
    »Pressen!«
    Judith streichelte mit der flachen Hand meinen Bauch, um mich zu beruhigen.
    Ein reißender Schmerz!
    »Der Kopf ist schon zu sehen!«, verkündete David. »Pressen! Ja, so ist es gut. Celestina, dein Kind hat dunkles Haar. Atmen!«, befahl er, und dann wieder: »Pressen!«
    Ich schrie vor Qualen!
    »Pressen! Da kommt es!«
    David hielt den Kopf des Kindes. Endlich schlüpften auch die Schultern, Arme und die Beine heraus.
    Mein Kind war geboren!
    Ich weinte vor Erschöpfung. Vor Erleichterung. Und vor Glück!
    Nun war ich Mutter!
    Dann: der erste Schrei.
    Zum ersten Mal hörte das Kind die eigene Stimme.
    David legte mir den kleinen Spatz auf den Bauch.
    Ein kleines

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