Die Evangelistin
Anhänger eines apokalyptischen Wanderpredigers waren, keine Gruppe galiläischer Fischer und Handwerker, die sich den Zeloten angeschlossen hatten, keine symbolische Institution der Zwölf als Repräsentanten der zwölf Stämme Israels (es waren nie zwölf Jünger), sondern dass die meisten Gefolgsleute mit Jesus eng verwandt waren. Trotz des Ausschlusses von vielen Namen ist der Stammbaum der Familie Jesu klar strukturiert. Es wird deutlich, dass ein Familienclan aus der Dynastie Ben David nach der Macht griff.
Die Evangelisten haben die historische Wahrheit absichtlich verfälscht, um ihr Mysteriendrama erzählen zu können: den Mythos von Jesus Christus, dem Messias, dem Davidssohn, dem Menschensohn, dem Gottessohn, dem inkarnierten Logos, dem von den Toten Auferstandenen, dem Erlöser der Welt.
Genisa: Aufbewahrungsort für unbrauchbar gewordene heilige jüdische Schriften oder jüdische Ritualobjekte, meist in einem der Räume einer Synagoge. Schriften, die den Gottesnamen enthielten, wurden dort zeremoniell ›begraben‹.
Grabtuch von Chambéry. Jesu Grabtuch ist heute als Turiner Grabtuch bekannt.
Hakhel-Zeremonie. Deuteronomium (5. Buch Mose) 31,9–13, Mischna Sota VII , 8, Traktat Sota 41a ff. Verlesung des Königsgesetzes: Deuteronomium (5. Buch Mose) 17,14–20.
Es gibt verschiedene Traditionen, wann die Hakhel-Zeremonie stattfand. Der babylonische Talmud nennt den zweiten Tag des Sukkot-Festes. Alte Überlieferungen verlegen die Zeremonie jedoch in die Nacht nach dem achten Tag von Sukkot, die Nacht nach Schemini Atzeret oder auf den folgenden Tag, Simchat Tora, das Fest der Tora-Freude. Männer, Frauen und Kinder waren bei der Gesetzeslesung anwesend. Auch nach der Zerstörung des Tempels fand die Hakhel-Zeremonie bis zum 11. Jahrhundert unserer Zeitrechnung weiter statt.
Jehuda, der Verräter. Der Verrat des Jehuda ist nicht historisch. Die Berichte der Evangelisten über den Verrat (Mt Kapitel 26, Mk Kapitel 14, Lk Kapitel 22, Joh Kapitel 13) stimmen im Ablauf der Ereignisse ebenso wenig überein wie die Beschreibungen seines Todes (Mt 27,3–10, Apg 1,16–19). Paulus weiß nichts von einem Verrat.
Welches Motiv könnte Jehuda, dem Jesus vertraute, für seinen Verrat gehabt haben? Stolz und Ehrgeiz können es nicht gewesen sein, denn Jehuda wurde von Jesus vor allen anderen ausgezeichnet: Er verwaltete das Geld und lag während des Abendmahls auf einem Ehrenplatz. Geldgier kann es auch nicht gewesen sein, denn die vereinbarte Summe von ›30 Silberlingen‹ (diese Währung gab es zu Jesu Zeit nicht mehr) war zu gering, um dafür einen Menschen zu verraten. Schließlich hätte Jehuda mit dem Geld der Gruppe jederzeit verschwinden können. Auch die Annahme, Jehuda wäre ungeduldig gewesen und habe das Gottesreich mit dem Schwert erzwingen wollen, ist unsinnig, wenn man annimmt, dass Jesus zu diesem Zeitpunkt bereits gesalbter König war. Dass die Evangelisten Lukas und Johannes bei diesem für das Christentum heilsnotwendigen Verrat (ohne Jehudas Verrat wäre Jesus nicht am Kreuz gestorben) ausgerechnet Satan in den Verräter fahren lassen, ist völlig absurd. Zudem widerspricht Paulus einem Verrat durch Jehuda, denn er schreibt, Jesus habe sich selbst hingegeben (Brief an die Galater 2,20, Brief an die Epheser 5,2, vergleiche: 1. Brief an die Korinther 11,23 und Joh 10,18) oder, in einer anderen Version, Gott habe seinen Sohn hingegeben (Brief an die Römer 8,32). Mit anderen Worten: Es gibt kein überzeugendes Motiv für Jehudas Treuebruch. Jehuda tritt zudem weder im jüdischen Prozess vor dem Hohen Priester Joseph ben Kajafa oder dem Sanhedrin noch im römischen Prozess vor Pontius Pilatus als Zeuge gegen Jesus auf.
Unglaubwürdig ist auch die Reaktion der Jünger während des Abendmahls, als Jesus ihnen den Verräter bezeichnet. Sie essen weiter, als ob nichts geschehen wäre: keine Überraschung, kein Entsetzen, keine Verdächtigungen, keine Rechtfertigungen, keine Leugnung des Verrats, kein Streit, kein Tumult, kein Versuch, Jehuda aufzuhalten, um Jesu Leben zu schützen – und ihr eigenes, denn auch ihr Leben stand bei diesem Verrat auf dem Spiel. Damit hätten dann nicht nur Jehuda und Schimon (Mt 26,69–75, Mk 14,66–72, Lk 22,54–62, Joh 18,25–27) Jesus in jener Nacht verraten, sondern auch der Lieblingsjünger Eleasar (Joh 13,21–28), dem Jesus den Namen des Verräters anvertraute.
Jehudas Verrat ist eine dramatische Konstruktion aus alttestamentlichen
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