Die Evangelistin
groß wie er.«
Mein Blick streichelte seine nackte Brust, den flachen Bauch, die schmalen Hüften, die kräftigen Schultern … dann wandte ich mich ab und nahm meine Kleider, um mich umzuziehen.
Mit dem Rücken zu Elija öffnete ich die Schleifen meines Mieders. Mich hinter dem roten Brokatstoff der vorgezogenen Bettvorhänge zu verstecken, empfand ich als unsinnig.
Dann ließ ich das Kleid zu Boden fallen und zog mir das seidene Unterkleid aus. Ich spürte Elijas Blicke auf meiner nackten Haut. Als ich ihn über meine Schulter ansah, drehte er sich verlegen um.
»Es macht mir nichts aus, wenn du mich ansiehst«, gestand ich. »Du bist nicht der erste Mann, der mich nackt sieht. Maestro Raffaello hat mich als Modell für eines seiner Madonnenbilder sogar nackt gezeichnet.«
Ich stieg in die Hose, zog mir das Hemd über den Kopf, stopfte es nachlässig in den Hosenbund, wobei ich das Seidenband am Kragen offen ließ, schlüpfte in die schwarze Jacke, schloss sie aber nicht. Dann setzte ich mich auf das Bett, um die ledernen Stiefel anzuziehen. Mein rechtes Bein schmerzte.
Elija kniete sich vor mich hin und half mir in den engen Stiefel. Seine Hand lag länger als nötig auf meinem Knie und glitt dann an meinem Schenkel herab. Sodann erhob er sich und trat einen Schritt zurück.
Wie schön er war, wie erotisch attraktiv! Die engen Hosen brachten seine schlanken Beine gut zur Geltung und verbargen nichts, aber auch gar nichts! Und wie elegant er in dieser Kleidung wirkte! Wie ein venezianischer Adliger auf dem Weg zu einem Fest des Dogen! Ob ich jemals mit Elija im Palazzo Ducale ausgelassen einen Saltarello tanzen würde? Wohl kaum!
Ich verbarg mein langes Haar unter einem schwarzen Barett und erhob mich vom Bett. »Wir sollten aufbrechen. Es ist schon fast dunkel. Und der Weg ist weit.«
Eine unbändige Lust hatte mich gepackt, Elija mein ›Königreich der Himmel‹ zu zeigen!
Ich nahm seine Hand und führte ihn aus dem Schlafzimmer, die Treppen hinunter und dann in einen Raum, dessen Fenster auf den kleinen Rio blickten, der vom Canalazzo zum Campo San Stefano führte.
»Und nun?«, fragte er verblüfft, während er sich in dem Zimmer umsah.
Ich öffnete das Fenster und kletterte auf die Fensterbrüstung. »Weißt du nicht, dass nichts und niemand Engel und Propheten aufhalten kann?«
Dann sprang ich und landete in der Gondel, die unterhalb des Fensters festgemacht war. Es war nicht das erste Mal, dass ich diesen Weg nahm.
Elija lehnte sich aus dem Fenster. »Engel und Propheten?«, lachte er – er hatte verstanden, dass ich uns beide meinte:
Der Prophet Elija war von Gott zu sich in den Himmel genommen worden – er war der einzige Mensch, der nie gestorben war. Nach jüdischem Glauben würde er eines Tages wiederkehren, um das messianische Zeitalter anzukündigen. Und der Name Celestina bedeutete: die Himmlische, die aus den Wolken des Himmels Herabkommende.
Dann stand er neben mir in der gefährlich schwankenden Gondel und hielt sich an mir fest, um nicht in den Rio zu fallen.
Ich machte das Seil los, kletterte nach hinten, ergriff das lange Ruder und steuerte die Gondel die wenigen Ruderschläge durch die Dämmerung in Richtung Campo San Stefano.
Elija sah mir verblüfft dabei zu, wie ich das Boot am Ende des schmalen Kanals festmachte und, da es weder einen Anlegesteg noch eine Treppe gab, sehr umständlich zum Campo hinaufkletterte. Ich stolperte absichtlich und lachte dabei, um die Männer, die mein Haus beobachteten, auf uns aufmerksam zu machen. Dann reichte ich Elija meine Hand, um ihm an Land zu helfen.
»Küss mich!«, flüsterte ich, als er vor mir stand und ich mich so ungestüm gegen ihn drängte, dass er beinahe rückwärts in den Kanal gefallen wäre.
Er hielt sich an mir fest. »Wie bitte?«
»Wenn man ins ›Königreich der Himmel‹ will, muss man Opfer bringen«, flüsterte ich, umarmte ihn und küsste ihn leidenschaftlich.
»Es war sehr schön mit dir, Juan«, sagte ich so laut, dass der Mann, der wenige Schritte entfernt auf den Stufen eines Palazzos herumlungerte, mich verstehen konnte. »Man kann nie wissen, wer einem von den Fenstern aus zusieht, wenn man sich in einer Gondel liebt!«
Elija blickte verwirrt zu dem Mann hinüber, der uns interessiert beobachtete. Daraufhin sah er mich an. »Te quiero, Luca! Du warst großartig!« Er umarmte und liebkoste mich. »Ganz unwiderstehlich!«
Seine Hände glitten an meinem Rücken herunter, umfassten meine Schenkel und
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