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Die ewige Bibliothek

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Titel: Die ewige Bibliothek Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A. Owen
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Uhrzeigersinn oder Nichtuhrzeigersinn zu vermeiden. Schließlich sahen wir unser Ziel: einen hohen, schneeüberkrusteten Gipfel, direkt hinter einigen zerklüfteten Bergen, die das Tal umgaben. Ich wollte gerade vorauslaufen und die Bettlerin – die, wie ich zu meiner Verlegenheit zugeben muss, uns alle an Geschwindigkeit und Gelenkigkeit übertraf – fragen, wann genau wir darauf hoffen konnten, eine Siedlung zu erreichen, als sie neben einem riesigen Felsbrocken stehen blieb, der vor uns aus dem ansteigenden Talboden aufragte. Sie fluchte vor sich hin und verdrehte die Augen, während sie darauf wartete, dass wir aufholten, als verschwendeten wir durch unser Hinterdreinstolpern ihre Zeit.
    Als wir den Felsbrocken erreicht hatten, wies sie uns an – in tadellosem Englisch, wie ich anmerken sollte –, den Felsen hinauf zu klettern. Ich hielt das für sinnlos, aber wenn man bedachte, dass sie damals unsere einzige Hoffnung auf einen Krümel Brot war, während einer Wanderung, die schon viel zu lange andauerte, zierte ich mich nicht lange. Harn und ich kletterten als erste nach oben und zogen dann H und schließlich die Bettlerin hinauf. Oben befand sich, links von der Mitte des Felsens, eine etwa fünfundzwanzig Zentimeter lange Vertiefung, die aussah wie ein Fußabdruck in Zement. Sie forderte jeden von uns auf, einen Schuh auszuziehen und einer nach dem anderen unsere Füße in die Mulde zu setzen. Wir fügten uns in dem Glauben, es handle sich um irgendein obskures religiöses Ritual oder ähnlichen Unsinn. Ich ging als erster und hoffte, dadurch in ihrer Gunst zu steigen, doch alles was mir meine Bemühungen einbrachten, waren ein kalter Fuß und eine Ohrfeige.
    Hammurabi war der nächste, und ihm erging es nicht viel besser. Allerdings schien er eine angemessene Demut zu zeigen, denn er wurde nicht geschlagen. Auf unsere Schultern gestützt, setzte H seinen rechten Fuß in die Vertiefung, und der finstere Gesichtsausdruck der Bettlerin verwandelte sich in offenes Erstaunen, dem wir uns einen Augenblick später anschlossen. Hs Fuß passte haargenau in den Abdruck, und ich hätte nicht geglaubt, was als nächstes geschah, wenn ich nicht mit ihm in Kontakt gewesen wäre, als der Strom hinauffloss.«
    »Was für ein Strom?«, fragte Michael.
    »Ich weiß es nicht – ich kann nur sagen, dass irgendetwas durch ihn hindurchfloss. Irgendetwas Ungewöhnliches, Magisches, denn als sein Fuß den Stein berührte, heilte sein Knöchel auf der Stelle.«
    »Sind Sie sicher, dass sich sein Zustand nicht einfach nur im Laufe Ihrer Wanderung verbessert hatte?«, warf Galen ein. »Eine Verstauchung kann innerhalb von wenigen Tagen heilen.«
    »Sein Fuß war nicht verstaucht, sondern gebrochen«, sagte Juda. »Und wenn es irgendwelche Zweifel gegeben hatte, dann zerstreute er diese sehr schnell, indem er von dem Felsbrocken hinunter sprang und geradewegs auf dem eben noch hinkenden Bein landete. Wir kletterten hinab und halfen der Bettlerin herunter. Ihr verärgerter Gesichtsausdruck hatte sich in etwas verwandelt, das ich nur als Erleichterung beschreiben kann. Sie fing an, mit uns zu schwatzen – insbesondere mit H – und fragte, ob wir etwas zu essen haben wollten und vielleicht einen warmen Ort zum Übernachten – Vorschläge, die kaum auf größere Begeisterung hätten stoßen können. Sie bedeutete uns, ihr zu folgen, und ging links um den riesigen Felsen herum. Wir folgten ihr und stellten kurz darauf fest, dass sie vorhatte, den Felsen zu umrunden – was sie auch tat, wieder und wieder und wieder, insgesamt dreizehn Mal. Auf dem letzten Rundgang ging sie jedoch um die Südseite des Steins und verschwand. Wir blieben stehen und sahen einander verwirrt an. Dann schlug ein nur zu bekannter Stock gegen meine Schienbeine. Im Sockel des Felsens hatte sich ein Spalt geöffnet. Sie stand einige Stufen tiefer und beschimpfte uns mit erneuter Heftigkeit.«
    »Und schlug nach Ihnen«, sagte Michael.
    »Und schlug nach mir. Nachdem sie sich unserer Aufmerksamkeit versichert hatte, drehte sie sich um und verschwand in der Finsternis. H ging voran und wir folgten ihm.«
     

     
    »Die Wände des unterirdischen Ganges bestanden aus unverputzten Steinen, die hier und da von massiven Holzbalken abgestützt wurden. Die Stufen waren nahtlos, als hätten sie sich auf natürlichem Weg aus dem Felsgestein gebildet oder wären aus einem Stück gemeißelt worden. Wir passierten mehrere Kammern, die vom Hauptgang abzweigten, alle ähnlich

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