Die ewige Bibliothek
konnte und das ihm einfach keine Ruhe ließ. Oben, in der Nähe eines der Gipfel, wo sich die Bären ein Höhlensystem gegraben hatten, fand er die Kadaver von zwei weiteren Bären und die Überreste vieler anderer, die einige Jahrzehnte alt waren. Etwas hatte sie gefressen.«
»Was ist daran so ungewöhnlich?«, wollte Michael wissen.
»Denken Sie nach«, sagte Galen. »Was könnte in dieser Höhe, wo so wenig überlebt und sogar die Bären zum Fressen von den Bergen hinabsteigen müssen, bösartig und stark genug sein, um einen drei Tonnen schweren Eisbären anzugreifen und aufzufressen?«
»Ganz genau. Unglücklicherweise hatte er mit der Bekanntmachung seiner Eisbärenentdeckung schon genug Probleme verursacht, so dass die Einheimischen kurz davor standen, ihn festzunehmen und auf schnellstem Weg aus dem Himalaja zu jagen.«
»Warum das?«, fragte Michael.
»Weil die verschiedenen Abgüsse von Fußabdrücken und ein mutmaßliches Schädelfragment, ganz zu schweigen von dem gelegentlichen Interesse von Koryphäen wie Sir Edmund Hilary den Rakshasha, oder Yeti, zur bedeutenden Touristenattraktion des Himalaja gemacht haben, obwohl er niemals gefangen und auch nur selten gesichtet wurde. Der Mangel an Beweisen hinderte die nepalesische Regierung nicht daran, 1961 öffentlich zu erklären, dass der Yeti tatsächlich existiere, und kurz darauf wurde er zum Wahrzeichen ihres Landes.«
»Sie haben ihn sogar auf Briefmarken gedruckt«, fügte Michael hinzu.
»Richtig«, sagte Juda. »Zieht man all das in Betracht, wie groß war dann Ihrer Meinung nach das Interesse daran, dass ein Journalist herausfindet, ihr Nationalsymbol sei nichts weiter als ein besonders zottiger Bär?«
»Es überrascht mich, dass er es überhaupt bis zu Ihrem Essen geschafft hat«, sagte Galen scherzhaft.
»Beinahe wäre es ihm nicht gelungen«, sagte Juda. »H wurde nur deswegen nicht gelyncht, weil er mit Unterstützung der tibetanischen Regierung dort war. Und da die Stelle, an der er die Bären entdeckt hatte, sich auf dem Melung Gletscher befand, der zwischen Tibet und Nepal liegt, konnte man sich nicht einig werden, welches Gericht für ihn zuständig war. Es wurde schließlich entschieden, dass er einfach das Gebiet verlassen solle, solange noch eine gewisse Uneinigkeit herrschte. Zwei Tage nachdem wir uns kennen gelernt hatten, kam ein Frachtflugzeug an, das uns nach China bringen konnte.«
»Sie hatten also beschlossen, ihn zu begleiten?«, fragte Michael.
»Ich hielt es für das Klügste«, sagte Juda. »Sie müssen bedenken, dass meine Bekanntschaft mit H mich zum Blutsverwandten eines Yetischlächters machte – zumindest in den Augen der Nepalesen.«
»Lassen Sie mich raten«, sagte Galen. »Sie haben inmitten eines Hagels von Flaschen und Steinen abgehoben, die Ihre ehemaligen Gastgeber nach Ihnen warfen, und als Sie erst einmal in der Luft waren, hat Ihr unerschrockener Freund den Piloten davon überzeugt, seinen Kurs zu ändern und nach dem echten Yeti zu suchen.«
»Ja.«
»Woher haben Sie das gewusst?«, rief Michael aus.
»Ich entdecke da eine ziemlich deutliche Parallele zu In den Fesseln von Shangri-La«, sagte Galen finster, »und fange an, mir wie ein Narr vorzukommen.«
»Das sollten Sie nicht«, antwortete Juda. »Manchmal ahmt das Leben tatsächlich die Kunst nach, und in diesem Fall ist es beinahe ein Klischeebild. Fast jedes Flugzeug, das den Himalaja verlässt, wird auf diese Weise verabschiedet. Ich glaube sogar, es hätte meinen Freund enttäuscht, wenn es bei uns anders gewesen wäre. Wir flogen nach Norden und steuerten einen Höhenzug an, einen natürlich geformten Luftweg, der uns nach Westen und über den Gipfel des Gletschers führen sollte, als…«
»Ein Sturm losbrach«, schlug Galen trocken vor.
»Eigentlich nicht«, sagte Juda. »H und der Pilot, der zufälligerweise ein Afghane war, begannen sich darüber zu streiten, ob Tibets Annexion durch China die Kämpfe Afghanistans gegen die Sowjets widerspiegelte. Sie waren so in die Diskussion vertieft, dass keiner von beiden bemerkte, wie wir vom Kurs abkamen, bis wir in einen Berg krachten.«
»Sie sind wirklich dagegengeflogen?«, fragte Michael und goss sich eine frische Tasse Kaffee ein, den er prompt verschüttete. »Oh! Verdammt. Tut mir Leid, die Sauerei«, sagte er entschuldigend. »Hatte das Flugzeug keinen Annäherungsalarm oder einen Autopiloten?«
»Im Himalaja kann man von Glück reden, wenn die Flugzeuge Propeller haben«,
Weitere Kostenlose Bücher