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Die ewige Bibliothek

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Titel: Die ewige Bibliothek Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A. Owen
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prähistorischen Ursprungs waren und leer standen. Bald kam es uns vor, als seien wir schon seit Stunden unterwegs, und da sich die Stufen gelegentlich nach oben schlängelten, fehlte uns jedes Maß, mit dem wir hätten abschätzen können, wie tief wir uns befanden. Selbst wenn wir uns auf einem relativ horizontalen Pfad bewegten, waren wir einige hundert Meter unter der Erde, da wir im Großen und Ganzen westwärts in den Berg hinein wanderten.«
    »Woher wussten Sie das?«, fragte Michael. »Offensichtlich sind sie nicht im Dunkeln gewandert.«
    »Alle paar Meter standen Talglichter auf der Treppe, die in Kupferschalen schwammen«, sagte Juda. »Ich habe allerdings keine Ahnung, wer oder was sich um sie kümmerte.«
    »Was meinen Sie mit ›wer oder was‹?«, fragte Galen.
    »Darauf wollte ich gerade kommen«, sagte Juda, und ein nervöses Lächeln zuckte in seinem Gesicht.
    Merkwürdig, dachte Michael – was um alles in der Welt konnte Juda nervös machen? Besonders nach all den Geschichten, die er ihnen erzählt hatte? Ein schneller Blick zu Galen sagte ihm, dass der Musiker sich dieselbe Frage stellte und dass es besser sei, sie nicht auszusprechen. Wie sich zeigte, war das auch nicht nötig.
    »Wir stießen auf eine Öffnung mit einer schweren Holztür, die zur Überraschung unserer Führerin einen Spalt weit offen stand. Eilig machte sie einen Satz nach vorn und zog sie ins Schloss. Wir hatten jedoch bereits allzu deutlich gesehen, was dahinter lag. Entlang der Wände waren, wie eine Prozession toter Regenten aus König Salomons Diamanten, mehrere Skelette aufgereiht. Von ihrer Ehrfurcht gebietenden Anordnung abgesehen, gab es keine Verzierung und kein Anzeichen dafür, dass es sich um etwas anderes als Menschen handelte, oder dass der Ort etwas anderes als ein Mausoleum darstellte. Außer…«
    »Ja?«, drängte Galen.
    »Die Skelette waren der Größe nach aufgereiht und diese reichte von anderthalb bis zu sechs Metern.«
    Michael schüttelte den Kopf. »Sie waren ausgehungert, erschöpft und litten aller Wahrscheinlichkeit nach unter Sauerstoffmangel. Sie hatten Halluzinationen, das ist alles.«
    »Wenn Sie meinen«, sagte Juda. »Wir waren uns da nicht so sicher – jedenfalls damals nicht. Schließlich verbreiterte sich der Stollen zu einem weiten, höhlenartigen Raum, der ungefähr die Größe einer Turnhalle hatte. An verschiedenen Stellen über den Raum verteilt brannten Feuer, und er wurde hier und da von langen Vorhängen aus geflochtenem Schilfrohr unterteilt. Neben einem Feuer befand sich ein Stapel Holzkisten, und dort blieb unsere Führerin schließlich stehen und legte ihren Stock auf den Boden. Dankbar für die Wärme drängten wir uns um das Feuer und nahmen die Reiskuchen und Streifen getrockneten Fischs an, die sie aus einer der Kisten hervorholte. Und wie Sie sich denken können, schliefen wir alsbald auf den Fellen ein, die um das Feuer verstreut lagen.«
    »Schaffelle?«
    »Nein«, sagte Juda. »Bär – groß, weiß und sehr zottelig.«
    »Oh, wie passend«, sagte Galen. »Das Tier, das die mystischen Yeti auffraß, war eine resolute, buckelige Bettlerin.«
    »Lachen Sie nicht«, sagte Juda. »Sie haben nicht gesehen, wie sie diesen Stock geschwungen hat.«
    »Und Hs Fuß ging es immer noch gut?«, fragte Michael. »Sogar nach dieser ganzen Wanderei?«
    »Er war kerngesund. Wir konnten es uns nicht erklären, aber uns war nicht danach, es in Frage zu stellen – wir waren einfach damit zufrieden, im Warmen und Trockenen zu sein und einen vollen Magen zu haben. Ich weiß nicht, wie lange wir geschlafen hatten, aber als wir aufwachten, saß sie wenige Meter entfernt an einem Feuer, in ein altes Buch vertieft. Es war nicht unsere Absicht, in ihre Privatsphäre einzudringen, doch als wir uns ihr näherten, schlug sie es zu, als stecke es voller Staatsgeheimnisse. H hatte trotzdem einen Blick hineinwerfen können und vertraute Harn und mir später an, dass es anscheinend auf Französisch geschrieben war.«
    »Sie sagten, dass sie fließend Englisch sprach«, überlegte Michael laut. »Sie war also offensichtlich Europäerin. Was hatte sie in einer Höhle in Tibet verloren?«
    »Diese Geschichte sollten wir erst noch erfahren. Für den Augenblick scheuchte sie uns an unser Feuer zurück. Bevor sie sich uns anschloss, stapelte sie jedoch mehrere Kisten übereinander und legte das Buch obenauf.«
    »Wozu denn das?«, fragte Galen überrascht. »Schließlich hätten Sie doch einfach

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