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Die ewige Bibliothek

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Titel: Die ewige Bibliothek Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A. Owen
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ist nicht verloren – wir halten es nur nicht in Händen.«
    »Aha«, stöhnte Michael. »Das wird die Finanzkalkulation meines Instituts weit komplizierter machen, als ich gehofft hatte. Ich nehme nicht an, dass Sie noch mehr von diesen tibetanischen Büchern beiseite geschafft haben, oder?«
    »Klar doch«, sagte Juda. »Hunderte. Tausende, sogar. Was hätten Sie denn gern?«
    »Schon gut«, sagte Michael. »Ich hätte wissen müssen, dass das ein Zufallsfund war, wie man ihn nur einmal im Leben macht. Ich hoffe, Sie können mir verzeihen, dass ich ihn verloren habe.«
    »Menschen machen Fehler. Aber ich glaube nicht, dass wir die Ur-Edda zum letzten Mal gesehen haben.«
    Er sprang auf und ließ etwas Geld auf dem Tisch. »Ich muss gehen. Vorlesungen, wissen Sie. Aber, Michael«, sagte er, bevor er mit der restlichen Sachertorte hinausging, »wenn Sie mich aus irgendeinem Grund brauchen sollten, suchen Sie mich an der Universität auf. Oder hier.« Juda legte eine pflaumenfarbene Karte auf den Tisch. »Denken Sie daran, Michael – alles, was Sie brauchen, umgibt Sie. Sie müssen es nur sehen können.«
    »Ich werde daran denken. Handschlag?«
    »Sicher.«
    Sie reichten sich die Hand, und zum zweiten Mal an diesem Morgen war Juda verschwunden.
    Michael rieb sich die Augen, leerte seine Tasse, stand auf – und erinnerte sich an die Visitenkarte. Er nahm sie in die Hand und warf einen Blick darauf, bevor er sie in seine Tasche steckte. Dann zog er sie mit einem Ruck wieder heraus und starrte ungläubig auf die Schrift.
    Die Adresse auf dem Stück Papier in Michaels Hand war ihm wohlbekannt. Er kannte sie, weil er dort schon einmal gewesen war – genau genommen hatte er fast zwei Jahrzehnte lang beinahe jede Nacht dort verbracht.
    Juda wohnte in der Villa, die Michael und Elena gehört hatte. Das Haus, in dem sie vor fast einem Jahr gestorben war.
    Als er das Cafe verließ, kam ein Bettler auf Michael zu und bat ihn um Kleingeld. Er gab ihm die Zahnpasta und ging nach Hause.

 
KAPITEL ACHT
Das Palimpsest
     
    Eine volle Woche verging und die Ereignisse des Montags aller Montage verloren sich im Äther. Michael traf an der Universität weder Juda noch Galen – die Bahnen, auf denen sie sich bewegten, waren wohl einfach zu verschieden. Allerdings wachte Michael zweimal aus einem unruhigen Schlaf auf und war sicher, das verlorene Manuskript in den Händen gehalten zu haben. Darüber hinaus hatte er eine ausgeprägte Abneigung gegen Absinth entwickelt.
    Von den Studenten, die so bedrohlich und wild geworden waren, gab es keine Spur – nur ein paar leere Plätze in den Vorlesungssäalen. Insgesamt verlief die erste Hälfte der Woche so normal, wie man es nur von ihr erwarten konnte.
    Am Mittwoch, als er seine Aktentasche packte, um zur Universität zu fahren, schob jemand eine pflaumenfarbene Visitenkarte unter seiner Tür hindurch.
    »Ach, Scheiße«, sagte Michael.
     

     
    »Sie haben uns hierher gebeten«, sagte Galen und schritt vor der breiten Fensterfront auf und ab, die Michael eingebaut und die Elena gestrichen hatte, und die nun Juda gehörte, »und wir sind gekommen. Aber stellen Sie meine Geduld nicht auf die Probe…Juda.«
    Armer Galen, dachte Michael. Es ist ausgesprochen schwer, seine Autorität gegenüber jemandem durchzusetzen, der keinen Nachnamen hat.
    Juda, der entspannt in einem Sessel saß, den Michael und Elena in Stuttgart gekauft hatten, machte beschwichtigende Handbewegungen. »Ich verstehe Ihre Frustration, Professor Gunnar-Galen«, sagte er und ließ seine formelle Anrede absichtlich unbetont, denn er wusste, dass Galen dies bemerken werde. »Aber ich glaube, Sie werden in wenigen Minuten sehen, dass Sie sich nicht umsonst hierher bemüht haben.«
    »Da bin ich mir nicht so sicher«, sagte Galen. »Ich hatte Zeit, über das nachzudenken, was Sie mir erzählt haben, und ich bin nicht sicher, dass Sie wirklich eine so wertvolle Errungenschaft für die Universität darstellen, wie Sie vielleicht glauben.«
    »Und wieso das?«
    »Was glauben Sie wohl?«, gab Galen zurück. »Sie haben Löcher in die Schädel von Studenten gebohrt, Herrgott noch mal – das allein sollte Ihnen eine amtliche Überprüfung einbringen. Und dann diese absurde Geschichte, die Sie uns erzählt haben…« Er schüttelte den Kopf. »Es muss am Alkohol gelegen haben. Anders kann ich mir nicht erklären, warum ich Ihrer Geschichte so viel Glaubwürdigkeit beigemessen habe.«
    »Das Manuskript«, sagte Juda munter.

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