Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die ewige Bibliothek

Die ewige Bibliothek

Titel: Die ewige Bibliothek Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A. Owen
Vom Netzwerk:
»Wollen Sie, dass die uns entdecken?«
    »Tut mir Leid. Ich dachte nur, es würde Sie interessieren.«
    »Er wurde nicht hier begraben – Sie meinen den Friedhof von St. Marx«, flüsterte Juda. Da er kleiner war als die anderen, passte er hinter einen öffentlichen Springbrunnen.
    »Oh – danke.«
    »Halten Sie den Mund!«
    Vier Minuten vergingen, dann fünf, dann sechs, bis von ihren unermüdlichen Verfolgern nichts mehr zu hören war. Einer nach dem anderen der Drei kam zum Vorschein und streckte die verkrampften und überlasteten Muskeln. Michael blickte auf die Uhr – es ging auf Sechs zu, und die blassen Risse der Morgendämmerung begannen sich über die Wolkendecke und den Horizont zu ziehen. Der Michaelerplatz, wo sie Zuflucht gefunden hatten, befand sich in der Nähe des Nordendes der Hofburg – sie hatten den Kreis beinahe geschlossen.
    »Eines verstehe ich immer noch nicht«, sagte Galen. »Warum werden wir verfolgt? Wenn sie mit dem Verfahren einverstanden waren, warum sind sie dann auf einmal zu einer… Horde von Tieren geworden? Und wenn dieser große Kerl für Sie arbeitet, warum verfolgt er uns dann und fletscht die Zähne?«
    »Das habe ich mich auch schon gefragt«, sagte Juda abwesend, »und die einzige Erklärung, zu der ich gekommen bin, lautet, dass etwas Neues in der Luft liegt. Wenn U Melvin trepanniert hat, konnte dieser sofort die Sprache eines neuen Buches aufnehmen, das noch nicht einmal von Kailas nach Meru gelangt war. Ich glaube, etwas Vergleichbares könnte auch hier der Fall sein.«
    Michael und Galen sahen einander an, als der Funke einer Idee in beiden zu einer Flamme anwuchs. »Das Palimpsest.«
    »Das glaube ich auch«, sagte Juda. »Wo ist das Ding eigentlich?«
    Michaels erste Reaktion darauf war, seine Taschen abzusuchen – immer eine gute Antwort auf die Frage, wo sich etwas befindet. Seine nächste Reaktion war, sich selbst dafür zu schelten, dass er seine Taschen abgesucht hatte, denn das Manuskript war viel zu groß, um in eine Tasche zu passen. Seine dritte Reaktion trat im selben Augenblick ein, als Juda und Galen fühlten, wie sich ihre erste Reaktion von Bestürzung in Entsetzen verwandelte. Und das war zufälligerweise das gleiche, was Michael empfand, bevor er ohnmächtig wurde.
    Das Manuskript, die Ur-Edda, das Palimpsest, war verschwunden.
     

     
    »Schlagen Sie ihn noch einmal. Oder besser noch, lassen Sie mich das machen.«
    Michael kam zu sich und spürte, wie Juda ihn an den Schultern hielt und ihm einen Klaps auf die Wange gab. Hinter ihnen lief Galen wütend auf und ab.
    »Ich kann es nicht glauben«, fauchte der Musiker. »Zuerst schüttet er Alkohol über ein unbezahlbares…« – er hielt inne, um das Wort zu betonen – »… unbezahlbares Schriftstück, ein unschätzbar wertvolles…« – eine weitere Pause -»… wertvolles Manuskript, und dann verliert er es. Was haben Sie sich dabei gedacht, Langbein? Was können Sie sich bloß dabei gedacht haben?«
    »Ich habe das Gleiche gedacht wie Sie, Galen«, gab Michael zurück. »Wir waren ein wenig in Eile, erinnern Sie sich?«
    »Haben Sie irgendeine Ahnung, wo Sie es verloren haben könnten?«
    »Nun, nein, eigentlich nicht«, sagte Michael. Idiot, Idiot, Idiot.
    »Also gut«, sagte Juda und übernahm das Ruder, »ich sage Ihnen, was wir tun sollten. Ob sie mich nun aus fehlgeleitetem Ärger verfolgen oder hinter dem Buch her sind, weil sie von altnordischen Göttern gelenkt werden – ihr Interesse an Ihnen beiden sollte sich legen, wenn ich verschwinde.«
    Michael erstickte fast – das wäre ein schöner Abschluss der Nacht gewesen. Wenn Juda sich in Luft auflöste, blieb ihnen kein einziger Beweis, dass die Ereignisse der letzten Stunden überhaupt stattgefunden hatten. Ganz zu schweigen davon, dass ihm die größte literarische Entdeckung seiner Karriere buchstäblich aus der Hand geglitten war.
    »Ich werde mich nicht in Luft auflösen«, sagte Juda. »Ich werde verschwinden – und das kann ich besser ohne Sie. Ich denke, Sie sollten sich in ein Kaffeehaus setzen und versuchen, Ihre Kräfte zu sammeln, während ich sehe, was ich tun kann, um das Manuskript ausfindig zu machen. Was immer dabei herauskommt, ich verspreche, dass ich noch vor Mittag wieder bei Ihnen bin. Einverstanden?«
    Galen warf Michael einen letzten wütenden Blick zu und nickte zustimmend. Er war zu müde, um zu widersprechen, selbst wenn er einen besseren Plan gehabt hätte – was nicht der Fall war.
    Michael wollte

Weitere Kostenlose Bücher