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Die ewige Bibliothek

Die ewige Bibliothek

Titel: Die ewige Bibliothek Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A. Owen
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wenige, nicht allein der von der Spreu getrennte Weizen, sondern vollkommene goldene Körner, ausgewählt vom erlesensten einzelnen Weizenhalm, den es gibt – nur diesen wird das Privileg zuteil, einen Fuß auf die Bühne in Bayreuth zu setzen.
    Michael fragte sich, wie die Bürger der Stadt und die Leiter des Festivals reagieren würden, wenn ein Korn, das einstmals als golden galt, plötzlich beschloss, dass es auf dieser Bühne stehen würde, in dieser Nacht, koste es was es wolle. Und er befürchtete, dass Galen – wie immer seine Pläne aussahen – es höchstwahrscheinlich schaffen würde.
    Michael hatte das Festival im Laufe der Jahre oft besucht, doch er konnte sich nicht entsinnen, dass er jemals mit solcher Hast aufgebrochen war oder so von Furcht und düsteren Vorahnungen erfüllt. Eilig stopfte er frische Wäsche in einen Beutel, packte seine Brieftasche ein und griff mehr aus Gewohnheit in das Bücherregal neben der Tür nach etwas, das er im Flugzeug lesen konnte.
    Er langte daneben, und anstatt den gewünschten Roman zu fassen zu bekommen, riss er einen sechzig Zentimeter hohen Stapel Bücher zu Boden, die sich über das Zimmer verteilten.
    »Mist«, entfuhr es ihm, als er bemerkte, dass eines der größeren Bücher, die Neue Jerusalemer Bibel, entlang des Rückens gebrochen war. »Wenigstens ist es das Zweitexemplar«, murmelte er, als er das beschädigte Buch aufhob und dabei sah, wie ein Blatt, das in dem Buch gesteckt hatte, zu Boden flatterte.
    Es war die erste Seite der Ur-Edda – jene, die er in Absinth getränkt hatte und die in dem nachfolgenden Sturm der Ereignisse in Vergessenheit geraten war.
    »Donnerwetter!« Bebend betrachtete er das zerbrechliche Blatt. Es war schon lange trocken, aber das Palimpsest war noch immer sichtbar und die Texte von Bragi und Wagner klar und leserlich. Er dachte einen Augenblick daran, es mitzunehmen, dann kam ihm jedoch aus dem Nichts eine ungewöhnliche Idee. Je mehr er darüber nachdachte, desto besser gefiel sie ihm, obwohl er sich nicht genau erklären konnte, warum. Was würde Juda sagen? ›Lass dich mit dem Strom treiben‹, oder irgend so eine Zen-Platitüde wahrscheinlich, was Michael nur recht war.
    Auf dem Weg zum Flughafen hielt er an einer Post an und adressierte einen großen Umschlag an seine Tochter Meredith bei der Ontario Daily Sun. Er hatte keine Ahnung, ob oder wann sie ihn erhalten würde, aber er wusste, dass er in diesem Augenblick mehr als alles auf der Welt seiner Tochter etwas schicken wollte, und das Blatt aus der Edda war alles, was er hatte. Er übergab dem Angestellten das Poststück, verließ das Gebäude und machte sich schnurstracks auf den Weg nach Bayreuth.
     

     
    Für den Rektor der Universität Wien können in Bayreuth in vielerlei Hinsicht eine ganze Reihe von Ausnahmen gemacht werden, von denen die meisten undenkbare Wünsche wären, kämen sie von einem normalen Menschen. Das galt insbesondere, wenn man bedachte, dass er einmal ein geachteter Bewerber um die Gunst der Stadt gewesen war, auch wenn die Verbindung selbst niemals vollzogen wurde. Zudem hatten die Stadtältesten ihm gerade einen persönlichen Schlag versetzt, den man bestenfalls als beleidigend ansehen konnte.
    Beschränkungen, wie den Vorverkauf von Eintrittskarten, konnte man außer Acht lassen. Plätze, die an andere wohlhabende Gäste vergeben waren, konnten umbelegt werden. Man lud ihn anstandslos zum Essen mit der Elite der Welt ein, und jegliche anfallenden Rechnungen wurden von dem Etablissement zerrissen, in dem sie gerade speisten – aus Dankbarkeit, dass er sich dazu herabließ, ihre Einrichtung mit seiner Anwesenheit zu beehren.
    Die Verantwortlichen des Festivals würden sogar zulassen, dass ein Mann wie er an diesem, dem siebten Tag des Festivals, während der Aufführung der Götterdämmerung seinen Platz verließ, den Zuschauerraum des Festspielhauses durchquerte und auf die Bühne kletterte. Nun ja, es war ihnen nicht bewusst, dass sie es zulassen würden, bis es tatsächlich geschah. Dann war es für sie jedoch zu spät, um ihre Meinung zu ändern, ohne ein heilloses Durcheinander auszulösen.
    Das Publikum war gewillt, sich das Ganze gefallen zu lassen, in der Hoffnung, es handle sich um irgendeine Innovation in der Aufführung – was bestenfalls Gesprächsstoff für das Abendessen liefern würde und schlimmstenfalls wohl immer noch besser wäre als die schlechten Aufführungen der 70er Jahre.
    Die Künstler ließen es sich

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