Die ewige Prinzessin: Historischer Roman (German Edition)
Auch er sah ihre erste Begegnung noch deutlich vor sich: Wie die züchtige Jungfrau neben ihrem Bett gestanden hatte, in einem weißen Nachthemd mit blauem Umhang, das lange Haar zum Zopf geflochten. Er erinnerte sich, damals gedacht zu haben, dass er zu ihr kam wie ein Verführer: Da er sich Zutritt zu ihrer Kammer verschafft hatte, hätte er sie auch mit Gewalt nehmen können.
Der König wandte sich um und suchte einen Stuhl, um seine Gedanken vor ihr zu verbergen. Er bedeutete der Infantin, ebenfalls Platz zu nehmen. Catalinas Duenna, immer noch das gleiche sauertöpfische spanische Maultier, stand, wie er gereizt feststellte, mit zwei anderen Damen im Hintergrund.
Catalina bot ein Bild der Anmut, die Finger im Schoß verschränkt, der Rücken gerade aufgerichtet, ihre ganze Haltung die einer jungen Frau, die um ihre Reize wusste. Heinrich schwieg und schaute sie nur an. Sie wusste doch, was sie heraufbeschwor, wenn sie ihn an ihre erste Begegnung erinnerte? Und doch konnte er einfach nicht glauben, dass die Tochter Isabellas von Spanien und Witwe seines eigenen Sohnes ihn vorsätzlich verführen wollte.
Ein Diener betrat das Audienzzimmer mit zwei Bechern Dünnbier. Er bediente zuerst den König, dann Catalina. Sie nippte lediglich an ihrem Becher.
»Mögt Ihr immer noch kein Bier?« Erschrocken stellte er fest, wie zärtlich seine Stimme klang. Es sprach doch nichts dagegen, dass er seine Schwiegertochter fragte, was sie gerne trank?
»Ich trinke es nur, wenn ich sehr durstig bin«, erwiderte Catalina. »Aber ich mag den bitteren Nachgeschmack nicht.« Sie hob die Hand zum Mund und berührte ihre Unterlippe. Fasziniert schaute er zu, wie ihre Fingerspitze über die Zungenspitze strich. Sie verzog leicht das Gesicht. »Ich glaube, es wird mir nie besonders zusagen.«
»Was trinkt Ihr denn in Spanien?« Er merkte, dass er kaum sprechen konnte. Immer noch betrachtete er wie gebannt ihren weichen Mund, die glänzenden Lippen, welche die Zunge benetzt hatte.
»In Spanien ist das Wasser trinkbar«, antwortete Catalina. »Die Mauren haben in der Alhambra Wasserleitungen gebaut, die das klare Wasser aus den Bergen in den Palast leiten. Also können wir aus den Brunnen kühles Quellwasser trinken. Und Säfte aus Früchten natürlich, es gibt dort herrliche Früchte im Sommer, und Eis und Sorbets und selbstverständlich Wein.«
»Wenn Ihr mich auf der diesjährigen Sommerreise begleitet, werden wir an Orte kommen, wo das Wasser auch trinkbar ist«, lockte Heinrich. Er klang wie ein törichter Junge, der sauberes Wasser anbot wie eine Leckerei, fand er. Doch er konnte sich nicht bremsen. »Wenn Ihr mitkommt, gehen wir in dichten Wäldern auf die Jagd, wir können nach Hampshire und noch weiter reisen, in den New Forest. Erinnert Ihr Euch noch an die Landschaft? Dort in der Nähe sind wir einander zum ersten Mal begegnet.«
»Das würde mir so gefallen«, sagte Catalina sehnsüchtig. »Sollte ich dann noch im Lande sein ...«
»Im Lande?«, fragte er erschrocken. Fast hatte er vergessen, dass sie seine Geisel war, die jedoch im Sommer heimkehren sollte. »Ich bezweifle, dass Euer Vater und ich bis dahin die Bedingungen festgelegt haben.«
»Wieso, warum dauert es nur so lange?«, fragte die Prinzessin, die blauen Augen vor scheinbarer Überraschung aufgerissen. »Sicherlich können wir doch zu einer Übereinkunft kommen?« Sie überlegte. »In aller Freundschaft? Auch wenn wir uns nicht über die Zahlungen einigen können, wird es doch gewiss einen anderen Weg geben? Vielleicht können wir einen anderen Vertrag schließen? Da doch auch vorher einer existierte?«
Ihre Worte kamen Heinrichs Vorschlag so nahe, dass er sich fassungslos erhob. Auch Catalina stand auf. Die Spitze ihrer hübschen blauen Haube reichte ihm gerade bis zur Schulter, und er dachte, er müsse sich gewaltig herabbeugen, wenn er sie küssen wollte. (Und wenn sie unter ihm im Bett läge, müsste er sehr darauf achten, ihr nicht wehzutun.) Bei diesem Gedanken spürte er, wie ihm heiß wurde. »Kommt«, sagte er mit heiserer Stimme und führte sie in die Fensterlaibung, wo die Hofdamen nicht lauschen konnten.
»Ich habe schon darüber nachgedacht, welche Art Übereinkunft wir treffen könnten«, sagte er. »Das Einfachste wäre, wenn Ihr hierbliebet. Mir wäre das auf jeden Fall am liebsten.«
Catalina schaute nicht auf. Hätte sie es getan, so hätte er in ihren Augen lesen können. Doch sie hielt den Blick zu Boden gesenkt. »Oh, natürlich,
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