Die ewige Prinzessin: Historischer Roman (German Edition)
damit, seine Schwiegertochter aus der Ferne zu beobachten. Doch sobald er das schwarze Trauergewand abgelegt hatte, machte er einen Besuch in Durham House. Catalinas gesamter Hofstaat war vorgewarnt worden, und alle hatten ihre besten Kleider angelegt. Der König bemerkte, wie abgenutzt Wandbehänge und Teppiche von Durham House waren, und lächelte in sich hinein. Wenn sie so vernünftig war, wie er sie einschätzte, dann würde sie froh über den Ausweg aus ihrer misslichen Lage sein, den er ihr bot. Er gratulierte sich selbst zu seiner Strategie, sie im letzten Jahr dermaßen kurz gehalten zu haben. Mittlerweile sollte die Prinzessin begriffen haben, dass sie vollkommen in seiner Gewalt war und dass ihre Eltern nichts tun konnten, um sie zu befreien.
Der Herold stieß die Flügeltür zum Audienzzimmer auf und verkündete schallend: »Seine Gnaden, König Heinrich von England ...«
Heinrich hinderte ihn mit einer Geste an der Nennung sämtlicher anderer Titel und ging hinein zu seiner Schwiegertochter.
Catalina trug ein Gewand von dunkler Farbe, dessen geschlitzte Ärmel blauen Stoff durchschimmern ließen, dazu ein reich besticktes Mieder und eine dunkelblaue Haube. Die Farben brachten ihr bernsteinfarbenes Haar und ihre blauen Augen zur Geltung. Der König freute sich über den wunderbaren Anblick und nahm lächelnd zur Kenntnis, wie sie in einen tiefen Hofknicks versank und langsam wieder hochkam.
»Euer Gnaden«, sagte sie liebenswürdig. »Dies ist wahrlich eine Ehre.«
Er musste sich zwingen, nicht auf die verlockende Linie ihres Halses zu starren, auf das weiche, junge Gesicht, das zu ihm aufschaute. Sein Leben lang hatte er eine schöne, gleichaltrige Ehefrau besessen, und nun begehrte er dieses Mädchen, das seine Tochter sein konnte, ein Mädchen in der Blüte seiner Jugend, mit hohen und schönen Brüsten. Sie war reif für die Ehe, in der Tat, sie war überreif. Dieses Mädchen sollte zu Bett gebracht werden. Er rief sich zur Ordnung: Hatte er nicht etwas von einem Lüstling an sich, wenn er die kindliche Witwe seines verstorbenen Sohnes mit solchem Begehren anstarrte?
»Kann ich Euch eine Erfrischung anbieten?«, fragte Catalina. Ganz hinten in ihren Augen gewahrte er ein Schmunzeln.
Heinrich dachte, wenn sie älter wäre, wenn sie eine erfahrene Frau wäre, dann könnte man fast glauben, dass sie mit ihm spielte wie ein geschickter Angler, der den Lachs an Land zieht.
»Vielen Dank. Ich nehme gern ein Glas Wein.«
Und nun hatte sie ihn am Haken. »Ich fürchte, ich habe nichts, was ich Euch anbieten könnte«, sagte die Prinzessin geschmeidig. »In meinen Kellern lagern keine Vorräte mehr, und ich kann mir keinen guten Wein leisten.«
Mit keinem Wimpernzucken verriet Heinrich, wie überaus geschickt sie ihn auf das Thema ihrer finanziellen Not gebracht hatte. »Das dauert mich, ich lasse Euch ein paar Fässer schicken«, versprach er. »Eurem Haushalt muss es wohl an vielem fehlen ...«
»Wir behelfen uns, so gut wir können«, erwiderte Catalina schlicht. »Möchtet Ihr vielleicht einen Becher Bier? Wir brauen hier unser eigenes Bier, und es kostet nicht viel.«
»Danke sehr«, erwiderte der König und biss sich auf die Lippen, um ein Grinsen zu unterdrücken. Er hätte sich nicht träumen lassen, dass seine Schwiegertochter so viel Selbstbewusstsein besaß. Das Witwenjahr hatte sie gestärkt, fand er. Allein in einem fremden Land, war sie nicht zusammengebrochen, sondern hatte all ihren Mut zusammengenommen und war stärker geworden.
»Ist Mylady Königinmutter bei guter Gesundheit, und Prinzessin Mary ebenfalls?«, fragte die Prinzessin nun mit einer Souveränität, als empfinge sie im Goldenen Zimmer der Alhambra.
»Ja, so Gott will«, erwiderte Heinrich. »Und Ihr befindet Euch wohl?«
Sie lächelte und neigte bejahend den Kopf. »Nach Eurer Gesundheit muss ich gar nicht erst fragen. Ihr bleibt Euch immer gleich.«
»Tatsächlich?«
»Ihr seht genauso aus wie bei unserer ersten Begegnung«, erläuterte Catalina. »Als ich eben in England angekommen war und Ihr zu mir geritten kamt.« Es kostete Catalina einige Mühe, nicht an Arthur zu denken, wie sie ihn an jenem ersten Abend gesehen hatte: beschämt ob der Taktlosigkeit seines Vaters, um Verständigung bemüht, dabei aber überaus schüchtern.
Entschlossen schlug sie sich ihren toten Liebsten aus dem Kopf, lächelte seinen Vater an und sagte: »Ich war sehr überrascht von Eurem Kommen und sehr erschreckt.«
Heinrich lachte.
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