Die ewige Prinzessin: Historischer Roman (German Edition)
denkt, wenn sie doch nicht mehr handeln kann? Niemand hört mehr auf sie.«
»Ich ziehe gegen Frankreich in den Krieg, was immer sie dagegen sagt«, versprach er.
»Natürlich tut Ihr das - sobald die Zeit reif ist.«
***
Ich verberge meinen Triumph, doch nun habe ich seinen Geschmack kennengelernt, und er ist süß. Ich denke, dass eines Tages auch meine anderen Peiniger, die Prinzessinnen, Harrys Schwestern, meine Macht zu spüren bekommen werden. Aber ich kann warten.
Trotz ihres Alters und ihrer Erfahrung vermag Lady Margaret die älteren Höflinge nicht auf ihre Seite zu ziehen. Denn diese kennen sie ein Leben lang, und die Fehden und Rivalitäten und gegenseitigen Abhängigkeiten langer Jahre bestimmen ihre Gefühle. Lady Margaret Beaufort war nie sonderlich beliebt, nicht als Frau und nicht als Mutter des Königs. Sie stammt aus einer der großen Familien Englands, aber als sie nach dem Sieg von Bosworth an die Macht kam, war sie alsbald von zu großem Dünkel erfüllt. Sie steht im Ruf, sehr gebildet und fromm zu sein, doch geliebt wird sie kaum. Stets beharrte sie auf ihrer Stellung als Königinmutter, und nun ist zwischen ihr und den anderen Menschen am Hofe eine tiefe Kluft entstanden.
Wer sich von ihr abwendet, wird mein Freund: Lady Margaret Pole gehört natürlich dazu, der Herzog von Buckingham und seine Schwestern Elizabeth und Anne, Thomas Howard und seine Söhne, Sir Thomas und Lady Elizabeth Boleyn, der teure William Warham, der Erzbischof von Canterbury, George Talbot und nicht zuletzt Sir Henry Vernon, den ich bereits aus Wales kenne. Sie alle wissen genau, selbst wenn Harry seine Staatsgeschäfte vernachlässigt, ich werde es nicht tun.
Ich frage meine Freunde um Rat und teile mit ihnen die Hoffnungen, die Arthur und ich hegten. Gemeinsam mit den Männern des Kronrates mache ich aus diesem Königreich ein mächtiges, friedliches Land. Wir beginnen mit dem ersten Entwurf von Gesetzen, die im ganzen Land Gültigkeit besitzen sollen, sei es in unzugänglichen Bergtälern oder dichten Wäldern. Wir beginnen mit dem Bau von Küstenbefestigungen. Wir begutachten die Schiffe, die sich für eine Kriegsmarine eignen, wir entwerfen Musterrollen zur Truppenaushebung. Ich habe die Zügel des Königreiches in die Hände genommen und merke, dass ich regieren kann.
Die Staatskunst ist mir von Kindesbeinen an vertraut. Ich saß im Thronsaal der Alhambra zu Füßen meiner Mutter, ich lauschte den Reden meines Vaters im goldenen Saal der Botschafter. Ich lernte etwas über die Kunst des Staatenlenkers, so wie ich etwas über Schönheit, Musik und Baukunst lernte, alles an ein und demselben Ort, in demselben Unterricht. Ich gewann Gefallen an schönen Kacheln, an filigranem Stuckmaßwerk, durch das die Sonnenstrahlen einfallen, und auch an der Macht, alles zur selben Zeit. England zu regieren erinnert mich an meine Kindheit in Spanien. Ich bin an dem Platz, für den ich geboren und erzogen wurde.
***
Die Großmutter des Königs lag in ihrem Prunkbett, hinter geschlossenen Vorhängen, abgeschirmt vom Licht. Am Fuße des Bettes hielt eine geduldige Hofdame eine Monstranz in die Höhe, damit Lady Margaret den Leib Jesu in seiner weißen Reinheit betrachten konnte. Die Sterbende heftete ihre Augen auf den heiligen Gegenstand. Ab und zu blickte sie zu dem Elfenbeinkruzifix an der Wand neben ihrem Bett. Alle im Gemach Anwesenden murmelten leise Gebete.
Catalina kniete mit gesenktem Kopf am Fuße des Bettes. In den Händen hielt sie einen Rosenkranz aus Korallen. Sie betete stumm. Lady Margaret, die zuversichtlich auf einen Platz im Himmel hoffte, ließ allmählich ihre irdische Existenz hinter sich.
Draußen im Audienzzimmer wartete Harry auf die Nachricht, dass seine Großmutter gestorben sei. Mit ihrem Tod würde das letzte Band zerreißen, das ihn mit seiner Kindheit verband, die Jahre, in denen er nur der Zweitgeborene gewesen war, immer um Aufmerksamkeit bemüht, immer ein wenig strahlender lächelnd, immer nach klugen Antworten suchend. Dies war nun endlich vorbei. Von nun an würde er von allen als Oberhaupt der Familie betrachtet werden, als Mächtigster des Hauses Tudor. Keine kritische alte Dame würde ihn überwachen und mit einem Wort zurechtstutzen, wenn er ein wenig über die Stränge schlug. Erst wenn sie tot war, konnte er ein Mann sein, der nach eigenen Begriffen lebte. Dann würde niemand mehr da sein, der ihn noch als kleinen Jungen gekannt hatte. Obwohl Harry lammfromm und
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