Die ewige Prinzessin: Historischer Roman (German Edition)
geduldig auf die Nachricht wartete, war er doch innerlich von Ungeduld erfüllt. Es sollte endlich so weit sein, er wollte unabhängig sein, endlich ein Mann und ein König. Er ahnte nicht im Mindesten, wie dringend er ihres Rates noch bedurfte.
»Er darf nicht in den Krieg ziehen«, krächzte in diesem Moment die Königingroßmutter in ihren Kissen.
Die Hofdame schnappte nach Luft, als sie zum ersten Mal seit Stunden wieder klare Worte von ihrer Herrin vernahm. Catalina stand auf. »Was habt Ihr gesagt, Mylady?«
»Er darf nicht in den Krieg ziehen«, wiederholte die alte Dame. »Wir halten uns aus den endlosen Kriegen Europas heraus, wir verschanzen uns hinter dem Meer, um nicht in all diese kindischen Plänkeleien hineingezogen zu werden. Für uns ist das Wichtigste, unser Reich zu schützen.«
»Nein«, entgegnete Catalina zuversichtlich. »Das Wichtigste ist, den Kreuzzug bis in das Herz der Christenheit und weiter zu tragen. Das Wichtigste ist, England zu einem Vorbild für die Macht der Kirche zu machen, in Europa wie im Heiligen Land. Wir wollen den Glauben in Afrika verbreiten, unter den Osmanen und den Sarazenen, in der ganzen Welt.«
»Die Schotten ...«
»Ich werde die Schotten besiegen«, erklärte Catalina mit fester Stimme. »Ich bin mir der Gefahr sehr wohl bewusst.«
»Ich habe ihn nicht mit dir verheiratet, damit du uns in den Krieg führst.« Die dunklen Augen glühten in schwacher Entrüstung.
»Ihr wolltet gar nicht, dass ich ihn heirate. Ihr wart vom ersten Augenblick an gegen mich«, erklärte Catalina freimütig. »Ich jedoch habe ihn geheiratet, damit er zu einem großen Kreuzzug rüstet.« Sie ignorierte das leise Jammern der Hofdame, die der Meinung war, dass man einer Sterbenden nicht widersprechen solle.
»Du wirst mir geloben, dass du ihn nicht in den Krieg ziehen lässt«, hauchte die alte Dame. »Dieses Versprechen gibst du mir auf dem Sterbebett. Ich erlege es dir auf, als heilige Pflicht.«
»Nein.« Catalina schüttelte den Kopf. »Ich kann es nicht geben. Nicht noch einmal. Ich habe bereits einem Sterbenden ein Versprechen gegeben, und dieses ist mich teuer zu stehen gekommen. Ein weiteres werde ich nicht geben - und Euch schon gar nicht. Ihr habt Euer Leben gelebt und Eure Welt so gestaltet, wie Ihr es wünschtet. Nun bin ich an der Reihe. Ich will, dass mein Sohn König von England wird und vielleicht König von Spanien. Ich werde dabei sein, wenn mein Gemahl einen glorreichen Krieg gegen die Mauren und die Osmanen führt. Ich werde es erleben, dass mein Land, England, seinen gebührenden Platz unter den Nationen der Welt einnimmt. Und ich werde diejenige sein, die England verteidigt und seine Sicherheit garantiert. Ich werde die nächste Königin von England sein, eine Stellung einnehmen, die Ihr nie innehattet.«
»Nein ...«, hauchte die alte Frau kraftlos.
»Aber ja«, widersprach Catalina unbeugsam. »Ich bin bereits jetzt Königin von England und werde es bis zu meinem Tode bleiben.«
Die alte Frau versuchte sich aufzusetzen. Sie rang nach Luft. »Bete für mich.« Fast klang es wie ein Fluch. »Ich habe meine Pflicht gegenüber England erfüllt, meine Pflicht gegenüber uns Tudors. Du wirst schon noch merken, dass sie sich meines Namens erinnern, als wäre ich selbst Königin gewesen.«
Catalina besann sich. Hätte diese Frau nicht ihrer eigenen Sache, ihrem Sohn und dem Lande so gut gedient, dann säßen die Tudors nicht auf dem englischen Thron. »Ich werde für Euch beten«, versprach sie widerwillig. »Und so lange es noch eine kleine Kapelle in England gibt, solange wir dem Glauben der heiligen römisch-katholischen Kirche huldigen, so lange wird man sich Eures Namens erinnern.«
»Für immer«, sagte die alte Frau, glücklich in ihrer Überzeugung, dass manche Dinge sich nicht ändern konnten.
»Für immer«, bekräftigte Catalina.
***
Keine Stunde später starb sie - und ich wurde Königin, regierende Königin, unwiderrufliche Herrscherin ohne einen Rivalen, Königin noch vor der eigentlichen Krönung. Nun, da Lady Margaret tot ist, bricht an diesem Hofe das Durcheinander aus, niemand weiß, was zu tun ist, niemand kann einen folgerichtigen Befehl geben. Harry hat noch nie ein königliches Leichenbegängnis angeordnet, woher sollte er also wissen, wie so etwas geht: Welches Maß an Ehrenbezeugungen steht seiner Großmutter zu? Wie viele Trauergäste müssen geladen werden? Wie lange soll die Trauerzeit dauern? Wo soll sie begraben werden? Wie
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