Die ewige Prinzessin: Historischer Roman (German Edition)
speisen oft nach englischer Tradition, das heißt, Männer und Frauen gemeinsam. Die Frauen haben eigene Gemächer, aber die männlichen Besucher und Diener gehen dort ein und aus, als wären es öffentliche Räume, es gibt keinen Ort des Rückzugs für Frauen. Der einzige Ort, an dem ich allein und ungestört sein kann, ist das gewisse Örtchen - überall sonst ist man von Menschen umgeben.
Sehr freundlich, wenn auch wortkarg, ist Königin Elizabeth, wann immer wir uns begegnen. Die Königinmutter hingegen ist eine kalte Person, aber ich glaube, so ist sie zu allen außer zu dem König und seinen Kindern. Sie verhätschelt ihren Sohn und ihre Enkel. Sie regiert diesen Hof, als sei sie die Königin. Sie ist sehr fromm und sehr ernst. Ich bin überzeugt, dass sie in jeder Weise bewundernswert ist.
Ihr wollt sicherlich wissen, ob ich empfangen habe. Bislang sind noch keine Anzeichen vorhanden. Ihr wollt gewiss hören, dass ich zwei Stunden am Tag die Bibel oder andere fromme Texte lese, wie Ihr befohlen habt, und dass ich dreimal am Tage die Messe besuche und jeden Sonntag zur Kommunion gehe. Pater Alessandro Geraldini geht es gut, er ist mir in England ein so vortrefflicher geistlicher Berater wie vordem in Spanien, und ich vertraue auf ihn und auf Gott, dass mein Glaube stark genug bleibt, um Gottes Werk in England zu verrichten, wie Ihr es in Spanien tut. Doña Elvira achtet hier wie in der Heimat streng auf das Benehmen meiner Damen, doch wenn sie zu oft von der Heimat spricht, kann ich es nicht ertragen.
Ich werde eine Prinzessin nach Eurem Wunsche sein. Ich werde weder Gott noch Euch enttäuschen. Ich werde England gegen die Mauren verteidigen.
Bitte schreibt mir bald und teilt mir mit, wie es Euch geht. Ihr wirktet so traurig und niedergedrückt bei meiner Abreise, deshalb hoffe ich, dass es Euch jetzt besser geht. Ich bin sicher, dass die dunkle Wolke, die das Leben Eurer Mutter beschattete, über Euch hinwegziehen wird und dass sie Euer Leben nicht verdüstern wird. Gott würde doch Euch nicht mit Traurigkeit schlagen, da Ihr doch sein Lieblingskind seid? Ich bete jeden Tag für Euch und für Vater. Ich höre Eure Stimme in meinem Kopf, vernehme Euren Rat. Bitte schreibt Eurer Tochter, die Euch so sehr liebt.
Alles Liebe,
Catalina
PS: Obwohl ich froh bin, verheiratet zu sein und meine Pflicht gegenüber Spanien und Gott zu erfüllen, vermisse ich Euch so sehr. Ich weiß wohl, dass Ihr zuallererst Königin und dann erst Mutter seid, doch ich wäre so froh, bald ein Schreiben von Euch zu erhalten. C
***
Fröhlich wünschte der englische Hof den Spaniern eine gute Reise, Catalina jedoch musste sich Lächeln und Winken mühsam abringen. Nachdem ihre Landsleute Abschied genommen hatten, ging sie zum Themse-Ufer, um den kleiner werdenden Barken nachzuschauen, bis sie in der Ferne verschwunden waren. König Heinrich ging ihr nach und sah die einsame Gestalt am Landungssteg stehen und sehnsüchtig den Barken nachblicken.
Er war zu erfahren im Umgang mit Frauen, um zu fragen, was sie bedrücke, denn er wusste es nur zu gut: Einsamkeit und Heimweh, vollkommen normal bei einer jungen Frau von noch nicht einmal sechzehn Jahren. Da König Heinrich selbst fast sein ganzes Leben im Exil verbracht hatte, wusste er genau, wie unerwartet das Heimweh einen Menschen überfällt: bei einem bestimmten Geruch, beim Wechsel der Jahreszeiten oder bei einem Abschied. Wenn er um eine Erklärung bat, würde er lediglich Tränen hervorrufen und sonst nichts erreichen. Deshalb steckte er ihre kleine kalte Hand in seine Armbeuge und schlug vor, ihr seine Bibliothek zu zeigen, die er kürzlich erst zusammengetragen habe. Wenn sie Bücher von ihm ausleihen wolle, dann könne sie dies jederzeit tun. Über die Schulter erteilte er einem seiner Pagen einen Befehl, dann führte er die Prinzessin unverzüglich in den Saal und zeigte ihr die reich bestückten Regale - nicht nur die klassischen Autoren und politischen Werke, die ihn interessierten, sondern auch die Ritterromane, die, wie er glaubte, mehr ihrem Temperament entsprachen.
Catalina hatte sich vorsorglich die Tränen abgewischt, als sie den König nahen sah. Sie war durch eine harte Schule gegangen. Isabella von Spanien war eine Soldatenfrau und selbst Soldatin gewesen und hatte jedes ihrer Kinder zur Härte gegen sich selbst erzogen. Heinrich fand, es gebe keine junge Frau in England, die diesem Mädchen an Charakterstärke gleichkäme. Dennoch waren die blauen
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