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Die ewige Straße

Die ewige Straße

Titel: Die ewige Straße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack McDevitt
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Nordens suchte. Silas war zu Hause geblieben.
    Aber die Trennung war ihm nicht leicht gefallen. Karik hatte zwar keine Verbitterung gezeigt, doch Silas hatte unter Schuldgefühlen gelitten. »Ich weiß nicht, warum ich damals dieses Gefühl hatte, ich müßte mit ihm gehen«, hatte er später jedem erzählt, der es hören wollte. »Die Expedition war eine gewaltige Verschwendung von Zeit und Ressourcen, und ich wußte es von Anfang an.« Karik hatte behauptet, im Besitz einer Karte zu sein, doch er hatte sie niemandem gezeigt – angeblich, um zu verhindern, daß jemand eine rivalisierende Expedition zusammenstellt.
    Das war eher unwahrscheinlich, doch Karik hatte eindeutig jeden Sinn für die Realität verloren. Haven war nichts weiter als ein Mythos. Es war durchaus möglich, daß ein historischer Abraham Polk existiert und vielleicht sogar tatsächlich eine Gruppe von Flüchtlingen in eine abgelegene Festung geführt hatte, um dort das Ende der Großen Seuche abzuwarten. Doch die Vorstellung, daß Polk und seine Leute nach dem Sturm wieder hervorgekommen waren und von der Zivilisation retteten, was zu retten war, um es für die Zukunft in Sicherheit zu bringen: Das war genau die Sorte von Geschichten, die die Leute nur zu gern erzählten. Und sich erzählen ließen.
    Und genau deswegen suspekt.
    Silas würde weder sein Leben noch seinen Ruf bei dem törichten Versuch aufs Spiel setzen, einen Schatz zu finden, der so gut wie sicher niemals existiert hatte. Trotzdem hatte ihn sein Gewissen nicht in Ruhe gelassen, und schließlich hatte er den Grund erkannt: Es war nicht um Durchführbarkeit und Erfolgsaussichten gegangen, sondern um Loyalität. Silas hatte sich von seinem alten Freund distanziert.
    »Heute morgen sah er jedenfalls noch ganz gesund aus«, sagte Flojian, der nie richtig aus dem Haus des Vaters ausgezogen war, mit Ausnahme einer kurzen Episode, während der er erfolglos mit der Ehe experimentiert hatte. Flojian hatte ein Auge auf das Wohlergehen seines Vaters gehabt und sich geweigert, den alten Mann im Stich zu lassen, als die gesamte Stadt ihn wegen Feigheit oder Inkompetenz oder beidem verdammt hatte. Wäre ein anderer der einzige Überlebende gewesen, hätte keiner etwas gesagt. Aber für den Anführer gehörte es sich einfach nicht, nach Hause zurückzukehren, während die Knochen seiner Leute auf fernen Straßen verrotteten. Silas hatte Flojian dafür bewundert, aber andererseits auch vermutet, daß Kariks Sohn mehr an der Sicherung seines Erbes als am Schutz seines Vaters gelegen war.
    Der Fluß lag kalt und still. Es hatte eine Zeit gegeben, da waren Karik Endine und Silas Glote die engsten Freunde gewesen. Den Mann allerdings, der von der gescheiterten Expedition zurückgekehrt war, hatte Silas nicht wiedererkannt. Dieser Karik war in sich gekehrt, wortkarg und verdrießlich gewesen. Zuerst hatte Silas geglaubt, es sei eine gegen ihn persönlich gerichtete Reaktion. Doch schließlich hatte er mit anderen im Imperium gesprochen, und nachdem Karik sich in den Nordflügel seiner Villa zurückgezogen hatte und das Haus nicht mehr verließ, hatte Silas erkannt, daß eine weitaus tiefere Veränderung mit seinem alten Freund vorgegangen war.
    Flojian stand in den besten Jahren, war von durchschnittlicher Größe und neigte zur Korpulenz. Sein blondes Haar wurde bereits dünner, und sein ganzer Stolz war der sauber getrimmte, goldene Bart, von dem er inbrünstig glaubte, daß er ihm ein schneidiges Äußeres verlieh. »Silas«, sagte er jetzt, »die Einäscherungszeremonie findet morgen nachmittag statt. Ich dachte, du könntest vielleicht ein paar Worte sagen.«
    »Ich habe Karik lange nicht mehr gesehen«, entgegnete Silas ausweichend. »Ich bin nicht sicher, ob ich weiß, worüber ich rede.«
    »Ich wäre dir dankbar«, sagte Flojian. »Du hast ihm einmal sehr nahegestanden. Außerdem …« Er zögerte. »Außerdem gibt es sonst niemanden. Ich meine, du weißt selbst, wie es gewesen ist.«
    »Ja, ich weiß.« Silas nickte. »Es wird mir eine Ehre sein.«
    Vor zwanzig Jahren hatten Silas und Karik mit ihren Freunden zahllose schöne Abende in der Villa verbracht. Sie hatten am Kamin gesessen oder draußen auf den Bänken unter den Ulmen, hatten die Sonnenuntergänge beobachtet, über Artefakte und untergegangene Kulturen spekuliert und über das, was wirklich unter der Erde zu finden sein mochte. Das Leben war damals noch aufregend gewesen: die Liga eben erst in der Entstehung begriffen, die Kriege

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