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Die ewige Straße

Die ewige Straße

Titel: Die ewige Straße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack McDevitt
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aufgeschlagen auf dem Lesepult. Es waren Kesslers Poetische Rationale, Kariks eigene Geschichte Illyriens, Imperium und Abenddämm e rung, Molkas Gründung der Liga und eine unvollständige Kopie der Reisen Abraham Polks.
    »Sie sind wunderschön«, sagte Chaka.
    »Danke sehr.«
    Das Buch von Molka lag griffbereit auf dem Pult. Die handwerkliche Verarbeitung war phantastisch: Ledereinband, allerbestes Pergament, exquisite Kalligraphie, edle Tinte, goldene Verzierungen an bedeutsamen Stellen, leuchtende Illustrationen.
    »Sie müssen sehr wertvoll sein.«
    »Das sind sie.« Er sah Chaka mit seinen braunen Augen eindringlich an. »Ich werde sie verkaufen.«
    »Das ist nicht Ihr Ernst!«
    »O doch. Ich kann sie unmöglich sicher aufbewahren. Als Vater noch hier wohnte, war das etwas anderes. Aber jetzt? Ich müßte eine Wache einstellen. Nein, sie bedeuten mir nicht viel, Chaka. Ich will lieber das Geld.«
    »Ich verstehe.« Sie fuhr leicht mit den Fingern über die Bindung.
    »Ein angenehmes Gefühl, nicht wahr?«
    »Ja.«
    »Sie werden sich sicher fragen, warum ich Sie sprechen wollte.« Er öffnete eine Schublade und entnahm ein Paket. Nach seiner Größe und seinem Gewicht zu urteilen schätzte sie, daß es sich um ein fünftes Buch handelte. Flojian legte das Paket auf den Tisch und trat beiseite. »Ich weiß nicht, ob Sie sich dieser Tatsache bewußt sind oder nicht, Chaka, aber Sie haben bei meinem Vater einen beachtlichen Eindruck hinterlassen.«
    »Das ist schwer zu glauben, Flojian. Er kannte mich doch gar nicht.«
    »Er hat Sie nicht vergessen. Und er hat Instruktionen hinterlassen, daß dies hier Ihnen zu übergeben ist.« Das Päckchen war in schwarzes Leder eingeschlagen und mit zwei Riemen verschnürt. Chaka öffnete die Schlaufen und hielt den Atem an.
    Goldschnitt, roter Ledereinband, feinstes Pergament, obwohl vom Alter schon ein wenig vergilbt. »Und das soll für mich sein?«
    »Mark Twain«, sagte Flojian. »Ein Yankee aus Co n necticut an König Artus’ Hof.«
    Sie hob den Deckel und starrte auf die Titelseite. »Mark Twains Werke sind verloren«, sagte sie.
    »Sicher.« Er lachte. »Aber nicht alle. Jedenfalls nicht mehr.«
    Das Buch enthielt Illustrationen von Rittern auf Pferden und Burgmauern und wunderschönen Frauen in wehenden Gewändern. Und ein Bild von einem Mann, der einen Revolver schwenkte.
    Die Sprache war altertümlich.
    »Wo kommt es her?«
    »Das ist eine Frage, die ich nur zu gerne beantworten würde. Ich war genauso überrascht wie Sie jetzt.« Er schürzte die Lippen. »Wie Sie sehen, ist es ein wenig abgenutzt. Aber so wurde es mir in die Hände gelegt.«
    Chaka war überwältigt. »Ich kann das nicht annehmen«, sagte sie.
    »Ich schätze, Ihnen bleibt nichts anderes übrig«, erwiderte Flojian. »Es steht so in seinem Testament. Gehen Sie vorsichtig damit um. Ich vermute, es wird einen ganz außerordentlichen Preis erzielen.«
    »Das glaube ich auch.«
    »Ich kann Ihnen beim Verkauf helfen, so daß Sie den vollen Wert erhalten, Chaka.«
    Sie schloß das Buch und packte es wieder ein. »O nein«, sagte sie. »Ich werde es nicht verkaufen. Trotzdem, vielen Dank für Ihr Angebot.«
     
    Raney erwartete sie auf der Sonnenuntergangsstraße. Er war großgewachsen und angenehm, besaß dunkle Augen und eine Sanftmütigkeit, die man bei jüngeren Männern nur selten findet. Gelegentlich wirkte er ein wenig begriffsstutzig, doch das war bei einem Mann nicht unbedingt schlimm. Sie trug seinen Armreif am Handgelenk.
    »Wie war es?« fragte er, als sie herangeritten war.
    Das Päckchen mit dem Buch von Mark Twain lag festgezurrt über ihrem Sattel. Raney hatte es anscheinend noch nicht bemerkt. »Du würdest es nicht glauben«, sagte sie und ließ sich von ihm küssen. Sie umarmte ihn so heftig, daß er vor Überraschung fast vom Pferd gefallen wäre.
    Raney war Kleidermacher. Er war geschickt, verdiente gut und genoß die Zuneigung und den Respekt seiner Kunden und des Ladenbesitzers, für den er arbeitete. Die Geschäfte gingen gut, der Besitzer war altersschwach, und wenn alles lief, wie die Natur es wollte, mußte sich Raney wahrscheinlich nur wenig Sorgen über seine Zukunft machen. Er nickte in Richtung der Rauchsäule, die in den Himmel stieg. »Ich war überrascht, daß du hingegangen bist.«
    »Wieso?«
    »Der Mann war verantwortlich für Arins Tod.«
    »Das ist Unsinn«, erwiderte sie. »Arin wußte, daß die Expedition riskant war, bevor er aufbrach. Oben im Norden gibt es

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