Die ewige Straße
hatten ein beklemmendes Gefühl. Niemand würde sich freiwillig so lange dort drin aufgehalten haben.
Und dann hörten wir Endine.
Zuerst begriffen wir nicht, daß es Karik Endine war. Ein Wimmern, ein leiser Singsang klang von unten herauf.
Er saß zusammengekauert auf einem Treppenabsatz, hatte die Hände um die Knie geschlungen und wiegte sich vor und zurück. Er war bleich wie der Tod, und in seinen Augen stand ein irrer Ausdruck. Sein Haar war wirr. Neben ihm lagen fein säuberlich aufgestapelt Bücher. Vierzig oder mehr. Ein Stapel war umgefallen.
Der Kapitän versuchte mit Endine zu reden, doch der schien uns nicht wahrzunehmen. Er wiegte sich unablässig vor und zurück und gab dieses erstickte Wimmern von sich.
Die Treppe war unterhalb des Absatzes weggebrochen. Ich blickte in eine Kammer hinunter, aber ich sah keine Menschenseele, obwohl dort unten weitere Bücher verstreut lagen. Sie hatten ein Seil gespannt und waren daran nach unten geklettert. Ich rief die Namen der anderen, aber außer meinem Echo war nichts zu hören.
Der Kapitän kam zu mir. Er meinte, daß Karik wirr im Kopf geworden sei, doch ansonsten schien ihm nichts zu fehlen.
Der Kapitän beugte sich über den Treppenabsatz, um in die Kammer darunter zu sehen. Er flüsterte meinen Namen und stieß einen leisen Fluch aus. Unten lag ein Leichnam.
Der Boden der Kammer befand sich gut fünfundzwanzig Fuß tiefer. Kariks Leute hatten Knoten in das Seil geknüpft, um das Klettern zu vereinfachen. Ich hielt die Lampe, während der Kapitän sich an dem Seil nach unten ließ, dann gesellte ich mich zu ihm. Der Tote war Landon Shay.
Er war naß und verschrumpelt, aber wir fanden keinen Hinweis auf das, was ihn umgebracht hatte.«
»Keine Wunden?« fragte Chaka.
»Ein paar Schrammen, aber das war auch schon alles.
Die Wände waren naß. Auf dem Boden gab es sogar ein paar Pfützen. Ich sollte erwähnen, daß die Kammer vier Ausgänge hatte. Gegenüber dem Gang mit den Schächten durchquerte im rechten Winkel ein hoher Korridor die Kammer. Ein vierter kurzer, breiter Gang führte zu einem unterirdischen See.
In dem langen hohen Korridor reihte sich eine Tür an die andere, und alle standen offen, bis auf eine. Wir blickten in die Zimmer dahinter. Dort fanden wir die anderen. Sie waren alle da, einige in Gruppen, andere allein.« Knobby verstummte und starrte auf einen Punkt irgendwo über Chakas Schulter.
»Alle tot?«
»Alle.«
»Wie? Was hat sie umgebracht?«
»Ich weiß es nicht. Sie waren wie Shay. Naß.«
»Was hat Endine gesagt?«
»Nicht viel. Er erklärte jedenfalls nicht, was dort unten geschehen war. Der Kapitän meinte, Endine sei gar nicht richtig aus seinem Zustand herausgekommen. Wir brachten ihn wieder hierhin zurück und übergaben ihn den Ärzten. Aber wie wir am nächsten Tag erfuhren, verschwand er noch in der gleichen Nacht. Er ist einfach verschwunden.« Knobby atmete tief durch und füllte seinen Becher nach.
»Haben Sie einen Blick in den Raum geworfen, der nicht offen stand?«
»Wir versuchten es. Die Tür gab nicht nach. Um ehrlich zu sein, wir strengten uns nicht besonders an.« Knobby starrte in seinen Becher. »Dieses Zeug ist nicht stark genug. Jedenfalls kamen mir später Gerüchte zu Ohren, daß Endine westlich von Brockett gesehen worden sei. Danach habe ich nie wieder etwas von ihm gehört, bis zum heutigen Tag nicht.«
»Und Sie haben nie herausgefunden, was dort in der Klippe geschehen ist?«
»Nein. Wir erzählten die Geschichte herum. Die Leute lachten uns aus. Verspotteten uns. Einige verdächtigten uns sogar, etwas zu verheimlichen. Manche glaubten, wir hätten alle ermordet. Aber das stimmt nicht. Es war ein Dämon. Wie sonst bringt man ein halbes Dutzend Menschen um, ohne jede Spur einer Verletzung zurückzulassen?«
»Was geschah mit den Leichen?«
»Wir begruben sie. Wir bargen die Leichen und begruben sie.« Knobby sah Chaka vorsichtig an. »Mit allen Ehren«, fügte er hinzu.
»Ich danke Ihnen.«
Der Ober kam mit einer neuen Karaffe und füllte beide Becher. »Könnten sie vielleicht ertrunken sein?« fragte Chaka.
Knobby schüttelte den Kopf.
»Ich wüßte nicht wie.«
»Sie sprachen von starken Gezeiten. Und Sie erwähnten einen unterirdischen See.«
»Keine Hut der Welt kommt so schnell, daß man sich nicht rechtzeitig in Sicherheit bringen kann.«
Chaka spürte, wie ein Frösteln über ihren Rücken lief. Sie hatte ihre Mahlzeit nur halb aufgegessen. »Was wurde aus den
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