Die Ewigen Jagdgruende der Frau Weinwurm
Teil ihrer Sühne, und außerdem, und dies war auch nicht von der
Hand zu weisen: Hatte jemals ein echter Cowboy sein Geld auf der Bank deponiert
statt in seinem Gürtel, seinem Hutband, seinem Patronengurt, seiner Lederweste?
Frau Weinwurm strich
mit dem Finger über die Schleifen und lächelte. Der Nichtindianer-Schlacks
jedenfalls hatte sich gefreut, als er den Schein eingesteckt hatte, es war
gerecht und in Ordnung gewesen, ihn zu belohnen, das arme Kerlchen, das ihr von
ihrem Daddy gesandt worden war, ganz sicher.
Aber Obacht, Frau
Weinwurm, dachte Frau Weinwurm und presste eine Hand vor den Mund, Obacht, dass
du dir nicht eines Tages eine immense kalbslederne Brieftasche kaufst und dann
dem Schlacks deinen Willen aufzwingst, indem du wie dieser Mann früher die
großen Scheine auf den Tisch blätterst und ihn dann anfährst, dass du, zur
Hölle, doch was dafür erwarten kannst, oder?
Frau Weinwurm schlug
die Geldbündel in ihren Glockenrock ein und stopfte das Stoffpaket in die
unterste Kommodenschublade, unter eine muffige, beige Wolldecke mit
Brandlöchern, die bestimmt niemand anheben würde, schon gar nicht das
Zimmermädchen, das mittags auf einer alten Harley Davidson aus Lionel
heranknatterte und im Zeitraffer durch ihr Zimmer wischte, so dass man nur
Schemen von ihr erahnen konnte.
Aber
vielleicht konnte sie auch etwas anderes für den dear young fellow tun
als die großen Scheine zu zücken?
Mit
glühenden Ohren taumelte Bernardo aus dem Tankstellenshop. Es war später
Nachmittag und die tiefstehende Sonne blendete ihn, so dass er gegen eine der
Zapfsäulen prallte, obgleich er sie unter normalen Umständen blind hätte
umschiffen können ohne auf den öligen Schlieren auf dem Boden auszurutschen.
»Das war soooo süß
von dir, Nardo-Engelchen, der große Beluga-Wal, ach übrigens, was ist ein
weiblicher Wal, eine Wälin?, war heute Morgen hier und wir haben einen
XXL-Kaffee zusammen getrunken und stell dir vor, sie hat mir mit den elenden
Sandwiches so geholfen, dass ich gar nichts mehr zu tun hatte! Naja, sie hat
beim Schmieren der Brote auch etliches von dem Belag verdrückt, aber was
soll’s, nicht wahr? Auf jeden Fall hat sie mir erzählt, dass du sie überall hin
kutschiert hast, denn ich hab sie gefragt, wo sie diesen starken, also diesen
wirklich krassen Jeansrock her hat, so ein Ding mit Latz vorne dran, wie eine
Latzhose, nur mit Rock halt, und sie sagt, von Gussie Jane’s und dass du
ihr den Laden gezeigt hast und mit ihr im Supermarkt warst und dann seid ihr
noch zu einer Spaßfahrt in die Wüste aufgebrochen! Und weißt du, was sie in der
riesigen Tasche, die vorne auf dem Latz ist, wie so ein Kängurubeutel, sag ich
dir, weißt du was sie da drin hat? So ein silbernes Ding mit Schraubverschluss
zum richtig zumachen und alles...«
»Ein Flachmann.«, half
Bernardo und hätte sich in derselben Sekunde ohrfeigen können, denn wieso
unterbrach er ihren Redefluss wie ein nerviger Oberlehrer?
»Ein Flachmann! In
einer Tasche mitten auf dem dicken Busen! Wie cool ist das denn, hä?«
Mimi zwirbelte zwei
Lutscher wie ein Tambourinmädchen zwischen den Fingern und strahlte ihn an.
Bernardo stand an der
Zapfsäule und atmete schwer, denn dieses Bild überschwemmte ihn mit der Kraft
eines Tsunamis: Die braunen Augen mit den goldenen Punkten darin, die nun für
ihn funkelten und sprühten, endlich für ihn, wie er es sich immer erträumt
hatte, die Grübchen am Mund, die sich für ihn vertieften, der aufmerksame,
liebevolle Blick, der nur ihm galt, ihm, Bernardo, durch den sie sonst
hindurchgestarrt oder den sie unter halb geschlossenen Lidern
freundlich-gleichgültig angesehen hatte!
»Die Frau ist ein
Hammer, das sag ich dir, wir haben so miteinander gelacht, die ist absolut
mangawürdig, das sag ich dir, und sie findet dich nett, aber das ist ja sowieso
klar, denn nett bist du ja. Aber nun hör mal zu, sie meint, du würdest ein
Geheimnis bergen, in dir würde ein Feuer lodern. Den Teil hat sie gesungen,
schief und krumm, sie sagt, sie kriegt es nicht anders hin in der fremden
Sprache, ist das nicht wieder krass? Ein Feuer, sag ich jedenfalls, in
dem? Und sie: Ja, und wie es sein könnte, dass mir das noch nicht aufgefallen
ist?«
Mimi beugte sich zu
Bernardo vor, legte ihm beide Hände auf die knochigen Schultern und hauchte ihm
ihren Kirschlutscheratem zart ins Gesicht: »Hast du ein dunkles, gefährliches
Geheimnis, my dear young fellow?«
Ihre Stimme war mehrere Oktaven
nach
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