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Die Ewigen Jagdgruende der Frau Weinwurm

Die Ewigen Jagdgruende der Frau Weinwurm

Titel: Die Ewigen Jagdgruende der Frau Weinwurm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Fu
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Kind
endlich wieder gerade biegen sollte, » denn ich denke, ich kann von
Ihnen verlangen, dass Sie das fachgerecht hinkriegen, wenn ich hier die großen
Scheinchen aus meiner Brieftasche ziehe und vor Sie hinblättere, nicht wahr,
Fräulein Doktor? «
    Aber sie hatte Recht,
mit ungläubigem Erstaunen hatte Ivonne ihr Haar in dem kleinen Handspiegel
betrachtet, den ihr die Frau Doktor gereicht hatte, es war lang geworden in all
den schrecklichen Monaten, lang und weich und von einem herrlichen hellblonden
Schimmer wie golddurchwirkter Stoff. Wie erschrak sie da! Sie heulte auf und
tobte so lange, bis sie es sich unter Aufsicht, die Schere immer im Blick des
Pflegers, ratzekurz abschneiden durfte.
    Der Himmel flimmerte
weiß, es würde wieder ein wunderbar heißer Arizona-Tag werden.
    Frau Weinwurm trat
ans Fenster und befestigte die Plastikspangen im Haar. Wenn sie die Augen
zusammenkniff und sich die Strommasten wegdachte, an dem Wasserreservoir
vorbeischielte, sah sie die unberührte Landschaft, durch die ER geritten
war, klick klack, klick klack, ein Geräusch wie das Zuschnappen der
Haarspangen. Sie befestigte die letzte Strähne. Irgendwann, ihr Vater hatte ihr
schon den Job bei »Dr. Mahler’s Babynahrung« besorgt, war sie es leid gewesen,
ihr Haar ständig nachzuschneiden und sie hatte diese Methode gewählt, um es zu
verbergen.
    »So, und nun machen
wir es uns endlich mal etwas heimisch und proper, nicht wahr? Immer dieses
Aus-dem-Koffer-leben!«
    Frau Weinwurm
wuchtete den Smiley-Koffer auf das Bett und klappte ihn auf.
    »Eiwei, meine Liebe,
den hast du wirklich nicht ordentlich gepackt!«
    Geschäftig lief Frau
Weinwurm durch das Zimmer, verstaute ihre Boxershorts, einen Schal, oh weh, nur
zwei Paar Socken und dann auch noch welche, bei denen die Bündchen ausgeleiert
waren, in der Kommode, schüttelte den Kilt aus und faltete ihn gleichmäßig
zusammen. Schuhe, Schuhe, Schuhe, was hatte sie nur für Schuhe mitgenommen?
Frau Weinwurm wühlte zwischen den langärmeligen weißen Blusen, von denen sie
glücklicherweise genug besaß und geistesgegenwärtig in rauer Zahl in den Koffer
geschmissen hatte, fand einen gepunkteten Faltenrock, der ihr schon lange Jahre
nicht mehr passte und zog schließlich ein Paar nagelneue, noch nie benutzte
Turnschuhe hervor, die an den Schnürsenkeln sorgfältig mit einem Doppelknoten
zusammengebunden waren.
    Also doch!
    Und sie hatte schon
geglaubt, die Erinnerung an ihre rasante Packaktion in Bütte-Erkenroytz, die so
verschwommen und unwirklich war, habe sie getrogen! Einen kurzen Moment der
Ruhe hatte sie sich gestattet, als ihr die Idee wie ein plötzlicher Stromstoß
durch die Glieder fuhr, denn sie wusste, dass sie ihr Rückflugticket nicht
nutzen würde. Niemals würde sie zurückkehren in ihre kleine Erdgeschosswohnung
in Bütte-Erkenroytz, aber wo wollte sie hin, wenn sie die Ranch ihres Daddy
nicht fand? Dieser Möglichkeit durfte sie sich nicht verschließen, hierin war Frau
Weinwurm streng realistisch, denn die Jahre, in denen sie an ihrem Schreibtisch
bei »Dr. Mahler’s Babynahrung« Belege sortiert und Zahlenkolonnen in den
Computer eingetippt hatte, hatten sie doch etwas abgestumpft und
niedergeschlagen.
    Mit den Turnschuhen
im Arm hatte sie sich für einen kurzen Augenblick der Besinnung auf ihr grünes,
an den Sitzflächen abgenutztes Zweiersofa gesetzt und auf den blinden Fernseher
gestarrt. Sie ließ den Blick über die dunklen Fenster – potztausend, hatten
diese Bälger schon wieder ihre Rotze oder anderes schleimiges Zeug von außen an
das Glas geschmiert? – die Kochecke, in der sie gerade noch gestanden und die
verderblichen Lebensmittel aus dem Kühlschrank geräumt hatte, angeleitet von
Tereses Stimme, die im Gegensatz zu Frau Weinwurm, schließlich genau wusste,
wie man sich auf eine längere Reise vorbereitete. Auch eines der Dinge, wie sie
seufzend vermerkte, die sie ihrer Tochter voraushatte. – Du hattest doch
gesagt, du bist nur übers Wochenende weg! – Jetzt haben sich die Pläne
geändert, ich muss los, ich muss weit weit weg, über den großen Teich! – Was
machst du dann mit deiner Schmutzwäsche, mein Fräulein? Denn nicht nur auf
deiner Nase war Blut, denk das mal nicht, deine schöne weiße Viskosebluse hat
auch was abbekommen, obwohl du diese Decke um die Schultern drapiert hattest
wie ein alter, müder Indianerhäuptling aus einem deiner elenden Comics. – Das
weiß ich doch schon längst, Mama, ich schmeiß die Sachen

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