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Die Ewigen Jagdgruende der Frau Weinwurm

Die Ewigen Jagdgruende der Frau Weinwurm

Titel: Die Ewigen Jagdgruende der Frau Weinwurm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Fu
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paddelte
Rudi Schleinitz in die Mitte des Pools und stellte sich aufrecht hin. Das
Wasser reichte ihm bis zu seinem eingefallenen Bauchnabel, und die Sonne ließ
seinen tropfenden Oberkörper glitzern als wäre er mit Diamanten übersät.
Gemächlich zog er eine kleine Plastikschale aus seiner Badehose und nahm ein
Stück Seife heraus, mit dem er sich sorgfältig in kreisenden Bewegungen
einrieb.
    »Oh, Gott, wenn das
Pogoretshnik sieht, bin ich ein toter Mann.«
    »Nur ein toter
Indianer ist ein guter Indianer.«, gluckste Frau Weinwurm. »Bei all dem Zeug
hier im Pool fällt ein bisschen Seifenschaum doch gar nicht auf, dear young
fellow! Immer gelassen bleiben! Easy going!«
    Frau Weinwurm lehnte
sich zurück und streckte ihr Gesicht der Sonne entgegen. Arizona-Sommersprossen,
dachte sie und lächelte erstaunt, Arizona-Sommersprossen wollte sie bekommen,
sie wollte am Ende ihrer Reise aussehen, als hätte ihr jemand einen Becher
Kakao über die Nase gegossen, eine Tüte Schoki , oh Himmel, gab es diese
Sorte noch, die Terese ihr früher, immer nur im Winter, neben ihr Schulbrot und
der Packung Kinderschokolade in die Schultasche gepackt hatte? Die Liliane ihr
immer weggetrunken hatte?
    Weggetrunken,
weggeschlürft, runtergeschüttet... Liliane ...
    Frau Weinwurm schloss
die Augen und spürte eine angenehme Müdigkeit hinter ihren Lidern.
    Eine Tüte
Schoki-Sommersprossen auf ihrer Nase am Ende ihrer Reise, wie lange mochte das
dauern, ein paar Tage? Eine Woche? Und dann musste sie sich entscheiden, ob sie
ihre Cowboystiefel beiseite stellen und sich die Turnschuhe anziehen würde um
hinauszulaufen in die Wüste, laufen, rennen, bis die Hitze gewonnen hätte, und
sie sich ein feines Bett auf felsigem oder sandigem Grund suchte, eine Decke –
vielleicht die froschgrüne Matte des Nichtindianerschlacks – ausrollte und sich
erschöpft niederlegen würde und...
    »Glauben Sie nun wirklich, dass
ein Feuer in mir lodert?«
    Bernardos Stimme
klang drängelnd, kindlich fordernd und Frau Weinwurm schlug die Augen auf und
forschte in seinem schmalen, braunen Gesicht, in den schwarzen Augen, die
unsicher flackerten. Ein Nasenflügel zuckte leicht, ein unkontrolliertes
Pulsieren, das er offensichtlich nicht registrierte.
    Oh weh, dachte Frau
Weinwurm, du hast in der Schule auch zu den Minderwertigen gehört,
stimmt’s, my dear young fellow, obwohl du doch so ein niedliches Kerlchen und
fast ein Indianer bist? Zu denen, deren Brust zu schmal war für klobige,
ausladende Footballshirts, geschneidert als wollte man andalusische
Prachtstiere einkleiden. Zu denen, die sich ihr Haar wachsen ließen, als das
Ende dieser Mode schon längst eingeläutet war, weil sie gar nicht ahnten, dass
Leben von Trends und Moden bestimmt sein konnte, und zu denen, die in der
Schlange in der Mensa artig anstanden, anstatt sich ein Tablett zu schnappen
und sich damit wie mit einem Ritterschild bewaffnet nach vorne zu drängeln,
schubsend, Gläser umschmeißend, egal!, halt die Klappe!, um den letzten
Vanillepudding mit Kirsch zu ergattern.
    Und gewiss hatte er
auch einen Vater gehabt, der den spargeligen, zitternden Jungen vom
Drei-Meter-Brett schubsen wollte, gleichgültig, wie flehentlich ihn die
tellergroßen Augen anflehten. Aber, dachte Frau Weinwurm, gut, dass er dies
nicht in diesem kläglichen, leeren Pool getan hatte, denn dann läge das Gerippe
des Nichtindianer-Schlacks auf dem Grund dieser ölig schimmernden Suppe. Und
eine Mutter, die ihn schmerzverzerrt ansah, die Hände rang und ihn anspornte,
Junge, so sitz doch nicht nur in deinem Zimmer, geh doch mal raus, spiel doch
mal mit den netten Jungen hier in der Straße, und es war egal, dass diese
Jungen ihn knufften und ihm mit Messer Zeichen in die Haut ritzten, an Stellen,
die niemand sah. Zeichen, die der kleine Bernardo nicht verstand, denn sie
waren gerade erst hierhergezogen, weil sein Vater an diesem fremden Ort Arbeit
gefunden hatte, wenigstens für ein paar Monate.
    »Aber sicher, hat dir
das noch keiner gesagt? Da drin! Ein Feuerchen, das du nur anfachen musst!«
    Frau Weinwurm
berührte den Flamingohals auf Bernardos T-Shirt und Bernardo sah auf seine
Brust.
    Da drin?
    An dieser Stelle, an
der sich immer alles verengte, verknotete und anspannte, wenn Mimi mit ihren
Plateaufüßen wie eine Elefantenherde in den Shop trampelte und seinem Rücken und
dem eingezogenen Schildkrötenkopf ein »Morgen, Penner! Ich habe Schmacht ,
mach mir mal schnell was, sonst knalle ich auf den

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