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Die Ewigen Jagdgruende der Frau Weinwurm

Die Ewigen Jagdgruende der Frau Weinwurm

Titel: Die Ewigen Jagdgruende der Frau Weinwurm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Fu
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Idee. Skalp für deine Sammlung, so ist das also, hätte ich dir
gar nicht zugetraut!«
    Sie stand auf und
strich mit ihren dünnen Spinnenfingern zärtlich über das glatte Holz der
Keulen.
    »Also
denk dran. Du schuldest mir was.«
    Es roch nach Herbst,
Nebel lag über den Feldern.
    Bibbernd stand Ivonne
an einem Sonntagmorgen im Oktober mit Eleonore an der Leine an der Ecke des
Pfades, der zum Wald führte, und stapfte von einem Turnschuhfuß auf den
anderen. Ihre schwarze C&A-Stretchhose für den Schulsport hatte sie
tunlichst im Schrank gelassen, denn wenigstens bequem wollte sie es bei ihrem
ersten Training haben, und einen ausgeleierten grünen Jogginganzug von Herrn
Weinwurm aus seinem Schrank gezerrt. Sorgfältig ignorierte sie die
Wodka-Flaschen, die unter T-Shirts und Pullovern hervorlugten, und ihr beim
Durchwühlen seiner Sportkleidung in der untersten Schublade entgegenpolterten.
- Was ist das Mama? – Nichts. - Sind das Wasserflaschen, warum hat Papa
Wasserflaschen in seiner Aktentasche, kriegt er auf der Arbeit nichts zu
trinken? – Ja, so ist es wohl, Ivonnchen, und nun mach schnell die Tasche
wieder zu, was hast du überhaupt daran zu fingern? – Ich wollte doch nur das
Bild reintun, den Winnetou hab ich gestern gemalt! 
    Ivonne hatte im Laufe
der Zeit gelernt, dass die Flaschen existierten, aber gleichzeitig nicht da
waren, eine Fata Morgana, zu der man besser nicht hinsah, und sie schon gar
nicht vor den Erwachsenen erwähnte, die sie mit ihren scharfen, unlogischen
Antworten so sehr verwirrten.
    In der Ferne sah sie
Lilianes mausbraunen Zopf wie einen Pumpenschwengel auf- und niederhüpfen,
während sie aufgeregt auf Ivonne und Eleonore zu rannte. Sie trug einen
verwaschenen rosa Nickizweiteiler und sah aus, als könnte sie locker mehrere
Kilometer hinter sich lassen und dabei noch gemütlich und langsam durch die
Nase atmen. Eleonore zerrte begeistert an der Leine und sprang an Liliane hoch,
als wären sie uralte Bekannte.
    »Am besten lässt du
sie los, damit sie dich beim Laufen nicht behindert oder dir dein Tempo
vorgibt.«, kommandierte Liliane streng im Obristenton und kraulte den
verzückten Hund hinter den Ohren.
    »Ebenfalls guten
Morgen.«, murmelte Ivonne und überlegte, wie sie es verhindern konnte, dass
Liliane sämtliche strategischen Entscheidungen dieses Trainings an sich riss.
Hier und da wollte sie nämlich gerne ein Wörtchen mitreden.
    »Wir werden jetzt
einige Aufwärmübungen absolvieren, damit wir uns keine Zerrung holen.«
    Der Obristenton blieb
auf konstant hohem Niveau. Ivonne kräuselte die Nase, doch bevor sie noch
nörgelnd Einspruch erheben konnte, verrenkte  Liliane bereits konzentriert
ihre Glieder, und Ivonne befand es für klüger, es ihr nachzutun. Egal,
schließlich hatte sie diese Operation ja geplant und entworfen, sollte sie also
ruhig auch Sorge dafür tragen, dass sie gelang! Eleonore mümmelte derweil
raschelnd in nassen Blätterhaufen und warf den Mädchen nur hin und wieder einen
Blick zu, um den Moment nicht zu verpassen, wann es endlich losging, denn was
die Menschen mit diesen Bewegungen, die zu nichts führten, die nicht halfen,
ein Kaninchen oder einen toten Fisch am Flussufer aufzuspüren, bezweckten,
konnte sich kein vernünftiger Hund erklären. Aber man ließ sie besser gewähren.
    »Uhrenvergleich!«
    Hastig sah Ivonne auf
das Zifferblatt ihrer Old-Shatterhand-Kinderuhr und schnurrte:
    « Sir ,
Neunuhrdreissigundsiebzehnsekunden, Sir, yes Sir !«  
    Liliane quittierte
dies mit einem stoischen Blick und schien darüber nachzudenken, ob sie –
irgendwo versteckt im Unterholz? Heimlich hervorlugend? – einen ironischen
Unterton vernommen hatte, und ob dies bereits als Insubordination zu werten
war. Unschuldig konstatierte Ivonne noch das Anheben des Kirchengeläuts und
stellte die These auf, dass sie dementsprechend noch eine ganze Weile von den
üblichen Sonntagmorgenspaziergängern aus den Reihen der Gläubigen verschont
blieben. Sie fand es wichtig, auch einmal eine kluge Bemerkung einzuwerfen,
ganz wie ihr Daddy seinen militärischen Vorgesetzten gegenüber,
untergeben jedoch nicht autoritätshörig: Ich gehorche Ihrem Befehl, Sir,
aber wenn es der falsche war, dann war es Ihr letzter!
    »Was meinst du wohl,
warum ich diese Zeit gewählt habe?«, seufzte Liliane, und Ivonne versicherte
rasch, dass sie nicht einen Augenblick an ihrem Weitblick gezweifelt hätte.
    Eleonore hatte
offensichtlich genug von den langweiligen Blätterhaufen

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