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Die Ewigen Jagdgruende der Frau Weinwurm

Die Ewigen Jagdgruende der Frau Weinwurm

Titel: Die Ewigen Jagdgruende der Frau Weinwurm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Fu
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nirgends, bei solchen Müttern. Tja, und on top dies eingepackte Zeugs, obwohl sie Doppelverdiener sind. Scheinen
ja nicht viel nach Hause zu bringen. Sieht doch so aus, als reichte es bei
denen hinten und vorne nicht!«
    Terese verzog
erstaunt den Mund, als sei ihr dieser Gedanke erst jetzt gekommen. Ivonne
fürchtete, dass wieder einmal die Frage, ob sie sich nicht endlich eine
ebenbürtige Freundin suchen wollte, in ihrem Hinterkopf Gestalt annahm. Doch
dann zuckte Terese die Achseln, sah in den Korb und rückte energisch eine Tüte
Erdnussflips zurecht. Diese Geste schien ihr zu bestätigen, dass sie bei der
Wahl ihres Ehegatten ein glücklicheres Händchen gehabt hatte und versöhnte sie
mit den finanziellen Engpässen der Piskunovs, die durch Ivonnes Mesalliance,
Frau Kraus-Hilfskötter, Mesalliance so unappetitlich in ihr Haus getragen
wurden.
    Ivonne raffte den Korb
an sich, bevor Terese noch etwas einfiel, und sprang die Treppe hinunter. Auf
dem kurzen Weg zu Piskunovs Siedlerhaus hing ihr der Korb zentnerschwer am Arm.
    Liliane riss die Tür
auf, als Ivonne eben im Begriff war, über den niedrigen Jägerzaun zu steigen,
der nicht einmal die geeignete Höhe hatte, um einen Dackel erfolgreich am
Eindringen in den Piskunovschen Garten und somit in die Playmobilkolonie von
Hubert Piskunov abzuhalten. Ivonne fragte sich, ob Herr Piskunov den Zaun schon
mal unter diesem Gesichtspunkt betrachtet hatte. Liliane zappelte den
Vorgartenweg hinunter und zog Ivonne aufgeregt ins Haus.
    Mit glänzenden Augen
sahen sie sich an und erwarteten ihr Abenteuer, die vielen Stunden, die noch
vor ihnen lagen, schienen unendlich und paradiesisch lang! Im Haus roch es nach
Überbackenem und Ivonne nieste. Ihr fiel Tereses Warnung vor eingeschweißtem
Fleisch ein und sie schnüffelte angestrengt, ob sie einen Unterschied in den
ihr bekannten Essensgerüchen ausmachen, womöglich sogar Sowjetisches riechen
konnte.
    Frau Piskunov war
eine hagere, große Frau, die jeden Morgen aus einer begrenzten Anzahl
flaschen-, jäger,- und jadegrüner Wollensembles wählte. Dazu legte sie tagein
tagaus eine Kette aus rosafarbenen, falschen Perlen an, strich sich mit Spucke
das ergrauende, stoppelig geschnittene Pony glatt und ging aus dem Haus.
Obgleich sie die schweren, dunklen Stoffe auch im Sommer trug, wirkte sie als
friere sie ohne Unterlass. Zwei tiefe Halbmondfalten zogen sich von der Nase
zum Mund und schwangen sich dort weiter zum Kinn, als habe ein wenig begabter
Zeichner ihr mit spitzer Feder eine aufgeklappte Acht ins Gesicht gepinselt.
    »Das Hauptziel von
Mutti ist es,«, bemerkte Liliane, »jeden einzelnen Tag möglichst ohne viel
Aufhebens und glimpflich zu überstehen. Nicht mehr und nicht weniger. Wenn sie
abends ins Bett gehen kann ohne dass ihr Tag eine einzige Woge geschlagen hat,
ist sie zufrieden. Wie jemand, der in einem öden Bahnhofswartesaal auf einen
Zug wartet, von dem er genau weiß, dass er erst am nächsten oder übernächsten
Tag kommen wird, und der Angst hat, dass man ihn nach draußen in die Kälte
setzt, wenn er aussieht als würde er den Zug nicht mehr erwarten. Verstehst
du?«
    Selten qualmte nicht
eine Zigarette zwischen ihren spröden Fingern, und Ivonne beobachtete
fasziniert, wie sie den Rauch tief einsog und inhalierte als hinge ihr Leben
davon ab. Liliane hatte ihr erzählt, dass man einen kurzen Augenblick durch die
Gesichtshaut eines Rauchers hindurchsehen konnte, wenn der prekäre Zeitpunkt zwischen
Einatmen und Inhalieren eintrat. In diesem Moment könne man einen gelblichen
Nikotinschimmer erhaschen, der durch die Haut wie durch Pergamentpapier
leuchtete, wie die Kerze in einer Kinderlaterne! Immer wieder versuchte Ivonne
diesen Augenblick abzupassen und machte Frau Piskunov durch ihr durchdringendes
Starren nervös.
    Von den
Essensgerüchen magisch angezogen, heftete sich Ivonne an Frau Piskunovs Fersen
und prallte gegen ihren steifen Rücken, als sie abrupt vor dem Kühlschrank
stehenblieb.
    »Oh, Ivonne, dich
habe ich gar nicht gehört!«
    Erstaunt musterte sie
Ivonne, als schien ihr die Möglichkeit, ein Mädchen diesen Ausmaßes nicht
bemerkt zu haben, geradezu widernatürlich und magisch.
    »Darf ich mal
schauen?«, fragte Ivonne mit glänzenden Augen und deutete auf die im Ofen
schmurgelnde Lasagneform.
    Frau Piskunov lehnte
sich an die Spüle, drückte ihre Zigarette im Abfluss aus und zündete sich eine
neue an. Bedächtig legte sie das Plastikfeuerzeug auf den Kühlschrank

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