Die Ewigen
uns Vorwürfe machen würde. Ciaran öffnete den Mund, doch sie hob abwehrend die Hand, rutschte vom Bett und verschwand schwankend noch einmal im Bad, kam dann mit halbwegs ordentlichen Haaren und einem frischen T-Shirt wieder raus. Das änderte nichts Wesentliches an ihrem jämmerlichen Gesamtbild, aber ich verstand nur zu gut, worum es ihr gegangen war: Typisch Prinzessin, Haltung ist alles. Ich wollte sie einfach zum Auto tragen, doch Ciaran wies mich an, ihr nur fest dem Arm um die Taille zu legen, und so schlurften wir wie zwei Betrunkene gemeinsam zum Ausgang. Ich fühlte mich auch ein wenig wacklig auf den Beinen, hätte das aber nie und nimmer zugegeben: Wie sollte dieses dünne Hühnchen mir so viel Kraft absaugen können, dass meine Beine sich wie Gummi anfühlten und mein Kopf auf einmal doppelt so lang brauchte, um den Sinn einfachster Sätze zu verstehen? Das war lachhaft, einfach lachhaft - aber Ciarans allwissende Augen sagten mir ganz klar, dass ich der Einzige war, der das so unglaublich witzig fand.
Shara Am zweiten Tag, nach Lara mit dem Löwen, schlief ich mit Magnus an meiner Seite ein paar Stunden auf dem Sofa. Ich hätte mein Bett im abgedunkelten Schlafzimmer vorgezogen, aber da Magnus bei mir bleiben sollte, entschied ich mich für das neutrale Wohnzimmer.
Jackson deckte mich fürsorglich zu und ließ uns dann allein, Magnus harrte tapfer neben mir aus, und meine wiederbelebte Hand fühlte sich in seiner riesigen Pranke dünn und verloren an. Als ich wieder wach wurde, war er blass und bekam kaum die Augen auf, ich legte ihm meine Decke über die langen Beine und ging allein hinunter in die Küche. Ich aß trockene Brötchen und trank Cola, während Ciaran mir berichtete, Lara solle am kommenden Tag entlassen werden, da ihr Blinddarm absolut in Ordnung sei und eine Operation nicht mehr nötig - das freute mich, nahm mir aber nicht die Angst vor dem nächsten Tag und der davor liegenden, schlaflosen Nacht. Letztere verbrachte ich dann zum größten Teil mit Jackson in meinem Adlerhorst, dick vermummt in alle vorhandenen Decken - Ciaran sah zwar gegen ein Uhr einmal nach mir, machte aber keine Anstalten, Jackson zum Gehen bewegen zu wollen - meine Ansage heute im Auto schien deutlich genug gewesen zu sein. Es war herrlich still, mein schöner Kreuzritter und ich betrachteten den langsamen Zug der Sterne über den schwarzen Himmel und testeten bei ein paar harmlosen Küssen, ob meine Lippen die seinen betäuben konnten, was mir bis gegen sechs Uhr morgens immer zuverlässig gelang. Gegen halb sieben hatten wir einen spannenden Zustand erreicht, in dem es mal bei mir kribbelte und dann wieder bei ihm: Ich hatte mich also so weit erholt, dass meine Berührung ihm die zuvor an mich verlorene Kraft zurückgab, was gleich wieder zu einer Schwäche meinerseits führte, die er dann wieder ausglich. Nach dieser Nacht war ich viel zu erschöpft zum Laufen, musste mich aber nicht peinlich abmelden, da Andreas Magnus ganz deutlich verbot, mich mit hinauszunehmen - er wäre in seinem angeschlagenen Zustand keine Garantie für meine Sicherheit, sagte Andreas, was Magnus noch ein wenig blasser werden ließ. Ich drückte ihm tröstend die kribbelnde Hand, aber der Riese schlich mit gesenktem Kopf in sein Zimmer, als habe er jämmerlich versagt.
Patient Nummer Drei war wieder ein Mädchen, und diesmal erschrak ich wirklich, als ich hinter Jackson das Krankenzimmer betrat. Sie hieß Nicolette, und ein buntes Tuch um ihren Kopf betonte nur zu deutlich, dass ihr von einer Chemotherapie die Haare ausgefallen waren. Sie habe einen kleinen Hirntumor, erklärte mir Ciaran, früh erkannt, aber trotzdem gefährlich - lebensgefährlich. Ich gab mir Mühe, in diesem entsetzlichen Zimmer voller Geräte und steriler Gerüche nicht zu viele Eindrücke zu sammeln und hielt mich dicht bei Jackson. Er ließ seine Hand die ganze Zeit über auf meinem Bein liegen, was mir sehr viel bedeutete, Ciaran nicht störte und von da an zu einem festen Bestandteil wurde. Ich rechnete angesichts von Nicolettes Zustand mit einem ungeahnt starken Sog, sah das Mädchen als den schwersten der bisherigen Fälle, und wurde dann von dem zarten, verhaltenen Ziehen aus ihrer schmalen Hand überrascht: Ich konnte mich nach dem Ende der Geschichte selbst erheben, ihr lächelnd Ciao sagen und den Weg zum nächsten Klo ohne die stützende Hilfe von Jackson zurücklegen - die Begegnung mit der Kloschüssel blieb mir jedoch auch diesmal nicht
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