Die Ewigen
erspart, und ich beugte mich ergeben über das Porzellan. Nach Nicolette versuchte ich, mich nicht gleich schlafen zu legen, damit ich nachts nicht wie ein Gespenst hellwach durch die Burg geistern musste, doch das klappte nicht so recht. Jackson spazierte (medizinisch verordnet und daher nicht unsere offizielle Verlobung!) Hand in Hand mit mir im Innenhof der Burg herum, dann besuchten wir Josie in ihrem herrlich kunterbunten Zimmer und sahen mit ihr uralte Fotos durch, die die mir bislang bekannten Mitglieder des Ordens und ein paar unbekannte Gesichter in allen möglichen Moden an allen möglichen Orten dieser Welt zeigten - am besten gefiel mir ein verblasstes Schwarzweiß-Bild von Jackson in Gehrock und Zylinder, der neben Ffion in Mieder und Reifrock vor einem Riesenrad posierte. Ich bewunderte Josies Schwert, das zwischen original aussehenden Plakaten alter Hollywood-Filme hing: Um einiges kürzer und etwas schmaler als meins, die Klinge wie bei Jacksons schmucklos bis auf das eingeprägte Schwingenkreuz unterhalb des Griffes. Letzterer war golden, die Grifffläche mit weinrotem Leder umwickelt, an den äußeren Enden der Parierstange (ja, Magnus Unterricht trug zumindest in der Theorie langsam Früchte!) saß jeweils ein recht großer, erdbeerroter Rubin inmitten eines filigranen Nests aus verwobenen Silberfäden. Ich äußerte mich bewundernd und klatschte dann schwer beeindruckt, als Josie das Schwert mit einer Hand von der Wandhalterung nahm, und es wie ein fernöstlicher Actiondarsteller um den Arm wirbeln ließ, dämmerte dummerweise aber prompt weg, als Josie mir stolz die erste Lieferung der aus den 'Katalogen' für mich bestellten Designerware präsentierte, was mir nachher ganz schrecklich peinlich war. Wieder wach wurde ich in meinem Bett gegen elf Uhr abends, und das machte die Nacht wieder zum Tag: Diesmal leisteten mir Jackson und Magnus Gesellschaft, wir schauten alte Filme und aßen Salzstangen, die fand mein Magen auch ganz okay.
Patient Nummer Vier war laut Ciaran sechs Jahre alt - ein Junge, der von einem dieser dreiräderigen Lieferautos angefahren worden war: Knochenbrüche, eine Gehirnerschütterung, innere Verletzungen. Seine Brüche seien sämtlich versorgt und könnten so optimal zusammen wachsen, versicherte mir Ciaran, als er mich und Magnus in das Zimmer schob, aber er sei nicht bei Bewusstsein, damit er sich nicht zu viel bewege. Ein armes, kleines Bündel voller Verbände - und wie schon bei Nicolette sah ich lieber nicht zu genau hin. In meinen kurzen, wirren Träumen spielten leere, hallende Gänge und liegende, gesichtslose Gestalten eine zunehmend größere Rolle, daher versuchte ich es mit mentalen Scheuklappen und gesenktem Blick. Das kleine Unfallopfer hieß Felix und ich hoffte, dass sein Name ihm in Zukunft mehr Schutz sein würde als bei seinem böse bestraften Versuch, über die Straße zu seinen Freunden zu laufen. Felix war für mich bislang der Schlimmste, und ich begriff jetzt, dass es schlicht und einfach die Größe der Verletzung im Gewebe oder in den Knochen war, die die Stärke des Sogs bestimmte. Nicolettes Tumor hatte für mich viel schlimmer geklungen als die Verletzungen von Felix: Tumor bedeutete Krebs, und den setzte ich gleich mit einem qualvollen, unausweichlichen Tod. Rein körperlich gesehen war der Krebs aber dann doch nur eine kleine Wucherung, durchgeknallte Zellen auf einem Haufen, und die waren selbst bei einer schon fortgeschrittenen Ausbreitung im Körper viel schneller geheilt als multiple Brüche und gequetschte Organe. Ciaran sah das ein wenig anders: Bei Krebs müsste ich wirklich jede verwirrte Zelle heilen, damit er nicht neu ausbrechen könne, sagte er, aber auch das ging um ein Vielfaches leichter als das Reparieren zerstörter Knochen und Muskeln: Bei Felix wurde ich vor Ablauf der üblichen Viertelstunde ohnmächtig und erst wieder wach, als ich schon auf der Rückbank im Auto lag und Shane hupend ein paar Wohnmobile von der linken Spur der Autobahn vertrieb. Natürlich mussten wir kurz darauf für mich anhalten, damit ich mit der nicht besonders wohlriechenden Damentoilette in einem Einkaufszentrum eine weitere Kloschüssel aus nächster Nähe kennen lernen konnte, während Magnus mit gekreuzten Armen draußen vor der Tür stand und Hausfrauen mit zu viel Kaffee in der Blase äußerst freundlich auf die nächste Toilette auf der anderen Seite des Gebäudes aufmerksam machte. Nach Felix lag ich für ein paar Stunden auf dem Sofa,
Weitere Kostenlose Bücher