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Die Ewigen

Die Ewigen

Titel: Die Ewigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tina Sabalat
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gefallen, schlussfolgerte ich etwas mitleidig, fand das Ergebnis aber durchaus akzeptabel, wie meistens. Jack war schon da, er stand ganz in Schwarz gekleidet in einer Ecke des Raumes und sprach mit Ciaran, es fehlten eigentlich nur noch Shara und Andreas.
    Ich wollte Jack gratulieren, aber da Ciaran gerade sehr eindringlich auf meinen mit hundertdreißig Jahren noch nicht wirklich alten Freund einredete, verschob ich das auf später: Einer der Vorteile des Kreuzritterlebens war ganz klar, dass man die Nächte Durchfeiern konnte, wenn man denn wollte, und das aus mehreren Gründen. Erstens: Wenn man keinen Dienst in der Schwertkirche hat, hat am quasi frei, kann also pennen, solange man will. Zweitens: Man kann trinken, was man will und wie viel man will, besoffen wird man so gut wie gar nicht - und damit fällt auch ein Kater komplett weg. Ich für meinen Teil hatte übrigens noch nie einen Kater gehabt, war noch nie besoffen gewesen - wann und wie denn auch? Andreas hatte mich auf Kindesbeinen nach Rom geschleift, und während meiner Straßenjahre ins Paris hatte ich ein oder zwei Mal an Weinkrügen genippt, das Zeug aber bitter gefunden und wieder ausgespuckt. Meine erste Narbe hab ich mit so Elf oder Zwölf gekriegt, und in dem Alter säuft man ja eher selten. 'Einmal richtig betrunken sein' stand denn auch auf meiner Liste der Dinge, die ich tun würde, wenn der Orden mich irgendwann rausschmeißen und mit der Zerstörung der Narbe wieder zu einem Normalsterblichen machen würde, zusammen mit ein paar anderen Dingen, für die ich aber lieber hier keine Tinte verschwende.
    Da Jack also von Ciaran gerade weise Worte für die nächsten Jahrzehnte bekam, gesellte ich mich zu Joseph, Sven und Pablo, trank in kleinen Schlucken meinen Champagner und freute mich auf das Essen: Es war ungefähr ein oder zwei Jahre her, dass wir in so einem Rahmen gefeiert hatten, und auch wenn Josie hier ein bisschen übertrieben hatte und der Saal für einen simplen Geburtstag viel zu üppig herausgeputzt war - so eine festliche Stimmung war ja auch mal ganz schön. Shanes Siebzigster ... ja genau, dachte ich und gratulierte mir dazu, dass ich mit gut zweihundertzwanzig dieses lästige Alzheimer noch nicht hatte - Shanes Siebzigsten hatten wir gefeiert, letztes Jahr im Mai.
    Um kurz nach Acht bat Josie uns, doch schon mal am Tisch Platz zu nehmen und schenkte allen Champagner nach, dann warf sie einen Blick in den Flur, gab Ciaran einen hochgereckten Daumen und flitzte so schnell zu ihrem Platz, wie ihr schmal geschnittenes Kleid das zuließ. Andreas und Shara kamen herein - er ebenfalls in Schwarz, Shara an seinem Arm in einem bodenlangen, stahlgrauen Abendkleid mit kleiner Schleppe und einem tiefem Ausschnitt, der das goldene Kreuz eher betonte als verbarg. Ihre Haut schimmerte so weiß wie die Rosen, die im Haar unserer Prinzessin zu einem Strahlenkranz arrangiert worden waren und der mich alternden, romantischen Ritter natürlich an eine Krone erinnerte, die Augen hielt sie gesenkt, in der Hand trug sie einen kleinen Blumenstrauß mit langen, weißen Bändern. Einen Strauß?, fragte ich mich, als meine Mundwinkel schon auf dem Weg nach oben gewesen waren, für ein nettes Begrüßungslächeln - was machte die Prinzessin denn hier mit einem Blumenstrauß in ihrer zarten Hand? Meine Augen wanderten von Shara hinüber zu Jack und Ciaran, mein halbes Lächeln gefror zu einer starren Grimasse. Die beiden standen immer noch auf der anderen Seite des Raumes, zwischen zwei Blumengestecken. Zwischen zwei sehr großen, sehr feierlichen, sehr portalartigen Gestecken, sah ich nun - und in diesem kurzen, schrecklichen und pestschwarzen Moment wusste ich, was jetzt kam, was das Ganze hier sollte, warum der Raum glänzte wie ein Schmuckkästchen, warum wir Abendkleider trugen, warum Shara Blumen im Haar und in der Hand hatte, warum Jack nicht mit uns am Tisch saß. Meine Hand zitterte, und ich musste das Glas abstellen, während ich langsam und wie betäubt auf meinem Stuhl zusammensackte und die Reste meines halben Lächelns fortgewischt wurden - fortgewischt von dem Wissen, dass ich verloren hatte, dass ich verloren war.
    Andreas ließ seine Hand auf Sharas Arm und führte sie zu Jack und Ciaran, drehte sich dann mit ihr zu uns um. Um Ruhe musste Andreas nicht bitten, als er uns nun der Reihe nach ansah: Es war so still, dass ich das leise, schleppende Geräusch der vom Wind bewegten Vorhänge auf dem Boden hörte, nur leicht überlagert von dem

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