Die Ewigen
Folter beschwerte und wir fürs Erste zu völlig lächerlichen Holzschwertern wechselten, wie sie kleine Jungs beim Spielen benutzen. Der Schwertkampf schien aus Prinzip auf dem Stundenplan zu stehen, und ich fügte mich mehr Höflichkeit denn aus wirklicher Begeisterung in dieses Training. Davide sah uns mit großen, glänzenden Augen ein paar Mal zu – er schien aus dem Holzschwert-Alter noch nicht raus zu sein, und war angesichts von Magnus Drohung, er sei dann auch bald dran, eher begeistert als abgeschreckt. Schießen gelang mir indes besser als das Herumfuchteln mit dem Schwert, wenn auch Jackson mich regelmäßig durch seine bloße Anwesenheit so sehr ablenkte, dass ich seine nicht eben kleinen Zielscheiben meterweit verfehlte. Ich trug die Waffe zwar noch bei mir, wenn ich die Burg verließ, aber Shara, die alte Skeptikerin, hatte endlich Vertrauen gefasst: Zu den dicken Mauern der Burg ebenso wie zu den darin lebenden Kreuzrittern. Ich hatte langsam das Gefühl, dass mein dauerndes Meckern und Protestieren mich mehr eingeschränkt hatten als dieser seltsame Orden es tatsächlich tat - und als ich Jackson das am Abend vor der Hochzeit sagte, lachte er leise und zog mit dem Finger das Kreuz auf meinem Rücken nach. Noch immer heftete nach solchen Zärtlichkeiten oft ein wenig Goldstaub an seinem Finger, was uns eine Wette hatte abschließen lassen, bei der es darum ging, wie viele Jahrhunderte er brauchen würde, um das gesamte Gold abzurubbeln. Ich hatte auf fünfhundert Jahre getippt, Jackson wollte sich anstrengen und schon nach dreihundert fertig sein. Eine Wette in bester 'Ewigen'-Manier - und irgendwie wusste ich, dass Jackson zu beiden Terminen nicht weiter von mir entfernt sein würde als jetzt, wo wir auf dem Balkon lagen und in nervöser Schläfrigkeit auf den nächsten Tag warteten, der auch in einer Ewigkeit einzigartig sein sollte.
Magnus Der Ballsaal im ersten Stock glänzte im Licht von unzähligen Kerzen, die sich in den hohen, nachgedunkelten Spiegeln an den Wänden unendlich vervielfältigten. Die schweren Vorhänge waren zurückgezogen, die Fenster standen auf und ließen einen leichten, lauen Wind durch den Raum und die dünnen Gardinen streichen, er brachte einen milden Duft nach getrocknetem Heu und einer mir unbekannten Blume mit sich. Der lange Tisch vor den Fenstern war prächtig gedeckt: weiße Decken, üppige Blumengestecke, unser bestes Porzellan und funkelnde Gläser, große Kerzenleuchter und Silberbesteck, die altertümlichen Stühle steckten in weißen Überzügen. Weitere Blumen waren im Raum verteilt, auch sie alle in Weiß - Josie war wohl nach sommerlich-frisch gewesen, dachte ich, als ich mein Geschenk für Jack auf dem Gabentisch in der Ecke des Raumes ablegte. Der Tisch war schon gut gefüllt und mein Paket bei weitem nicht das Größte.
Josie trug ein hellgrünes, bodenlanges Seidenkleid und eine einzelne, weiße Rose im Haar, sie steckte mir eine ähnliche Blüte ins Knopfloch meines Anzugs, drückte mir ein Glas Champagner in die Hand und zeigte mir meinen Platz: Jack und Shara schräg gegenüber, zwischen Davide und Lucia. Auf meinem Teller lag eine Karte mit meinem Namen und dem heutigen Datum, darüber eine schwungvolle liegende Acht für die Unendlichkeit. Ich nahm die Karte in die Hand und wendete sie auf der Suche nach aufklärenden Worten, fand aber keine. Ich wollte Josie danach fragen, wollte ihr anbieten, ihr die richtige Zahl der Jahre zu nennen, die Jack jetzt schon auf dieser schönen Erde abgesessen hatte, aber sie war mit ihrem Champagner-Tablett schon auf dem Weg zu Maggie und Peter, die gerade rein kamen. Maggie sah sehr hübsch aus in ihrem schwarzen Kleid und auch einer Rose im hochgesteckten Haar, Peter hatte sich wie die anderen Männer für einen schwarzen Anzug entschieden - 'festliche Abendgarderobe' hatte Josie angeordnet, also bewunderte ich Ffions weinrote Robe ebenso gebührend wie Lucias hellgelbes Abendkleid.
Davide war natürlich eingeladen und lachte gerade über etwas, das Maggie ihm hinter vorgehaltener Hand erzählte, als ich zu ihm hinüber sah. Nagelneuer Anzug mit eingesteckter Rose, registrierte ich den ungewohnt förmlichen Aufzug des Kleinen, der sonst nur diese Hiphop-Schlabber-Klamotten trug, bei denen die Jeanstaschen etwa auf Höhe der Knie hingen. Blitzblanke Schuhe, Weste, Hemd mit Manschettenknöpfen und Krawatte: Das hatte garantiert mehr gekostet, als er in seinem Sparstrumpf gehabt hatte. Er ist Josie in die Hände
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