Die Ewigen
wahrscheinlich aus wie auf der Autobahn ausgesetzt. Der stetige Wechsel von Kribbeln und Nicht-Kribbeln in meiner Hand zeigte, dass es Ffion genau so miserabel ging wie mir - ich umschloss ihre Finger trotzdem weiterhin mit meinen, weil das trotzdem tröstlich war. Nach dem Tankstopp ging sie mit Gerard auf dem Beifahrersitz nach vorn, und die beiden waren dann auch die Ersten und Einzigen, die durch eine Radarfalle mit Anhalteposten fuhren, zum Glück hatten sie wegen eines langsameren Autos auf der Überholspur eben erst wieder beschleunigt. Seine kurze, schnelle Warnung vor dem Blitzer durch das Funkgerät kommentierte Gerard mit einem lapidaren 'hunderfünfundneunzig, das wird nur teuer', dann schlichen wir auch schon an ihnen vorbei, während zwei Polizisten sich betont lässig dem brav auf dem Randstreifen wartenden Wagen näherten. Etwa zweihundert Kilometer später wurden Lucia und Peter von einer Radarfalle ohne Anhalteposten erwischt - dafür ging Jackson noch nicht mal vom Gas, woraufhin das Ding auch uns einmal voll in die Augen blitzte.
Wir waren gegen zehn Uhr auf dem Pass angerufen worden, und es war nach eins, als wir in den äußersten Randbezirken von Rom angesichts des nun sehr dichten Verkehrs langsamer werden mussten. Ciaran und Magnus waren knapp zwei Stunden hinter uns zurück, Andreas und Maggie würden noch später ankommen. Gerard und Ffion hatte der Stopp durch die Polizei eine gute halbe Stunde und mehrere hundert Euro gekostet, die beiden würden aber so schnell wie möglich im Krankenhaus erscheinen - wichtige Akkus, von denen ich jeden verfügbaren Tropfen Energie brauchen würde.
Wir verloren weitere wertvolle Minuten, während unsere Pässe und die beiden Autos bei der Einfahrt in den Vatikan kontrolliert wurden, unsere Waffen nahm ein Schweizer Gardist mit spitzen Fingern entgegen und stellte uns umständlich Quittungen dafür aus, deren verschnörkelte Vorlage wohl auch noch von Leonardo da Vinci stammte. Ich hätte den Mann am liebsten an seinem weißen, steifen Kragen gepackt und geschüttelt, aber das würde uns ganz sicher nicht schneller zu Shane bringen. Dafür war das Foyer des kleinen Krankenhauses nahe der enormen Außenmauer des Vatikans leer bis auf eine steinalte, aber hellwache Schwester mit aufwändig gefältelter, blütenweißer Haube, und unsere Frage nach Dottore Manzini führte uns in kürzester Zeit in den vierten Stock. Dottore Manzini entpuppte sich als der Chefarzt der Intensivmedizin höchstpersönlich: Ein weise aussehender Herr von etwa sechzig Jahren, mit ergrauten Schläfen und einer Lesebrille um den Hals. Er strotzte vor Energie - wie vor Verwunderung über das seltsame Anliegen seines alten Lehrmeisters Ciaran. Manzini führte uns zur Station und berichtete in schnellem Italienisch von Shanes Zustand, ich musste allerdings Jacksons Simultanübersetzung zuhören, um alles verstehen zu können: Mein Küchenitalienisch war mittlerweile ganz okay, im Restaurant würde ich auch nicht verhungern - medizinische Fachbegriffe verstand ich allerdings keinen einzigen. Drei Schusswunden von einem eher kleinen Kaliber, sagte der Arzt, zwei in die Brust, eine am Hals. Die Verletzung am Hals war nur ein relativ harmloser Streifschuss, von denen in der Brust hatte einer die Lunge perforiert, nachdem er von einer Rippe abgeprallt war, der andere einen Herzmuskel. Shane war operiert worden und erst seit einer Dreiviertelstunde wieder oben, wie mir Ciaran in einem kurzen Anruf wie versprochen schon berichtet hatte: Shanes Zustand sei nicht stabil, er habe viel Blut verloren und sei nicht bei Bewusstsein. Vor dem verschlossenen Eingang zur Intensivstation ('Eintritt verboten! Bitte Klingeln! Bitte Ruhe!') blieben wir jetzt stehen, der Arzt musterte uns vier der Reihe nach. Wir sahen nicht wirklich vorzeigbar aus, realisierte ich, als meine Augen seinem kritischen Blick folgten, waren doch alle in den Klamotten ins Auto gesprungen, in denen sie gerade gewesen waren: Jackson und ich in Jeans, Windjacken, dicken Wollpullovern und groben Wanderschuhen für unseren Ausflug in die Berge, Lucia in weiten Jogginghosen und einem Schlabberpullover, der ihre sonst so aufregenden Kurven ungewohnt plump wirken ließ, Peter schließlich in Cordhosen, farbfleckigem Leinen-Hemd und verknautschter Baskenmütze, mit der er aussah wie ein mittelloser Künstler aus irgendeinem vergangenen, romantischeren Jahrhundert.
"Wer ist von Ihnen ist Shara?", fragte der Arzt mit Blick auf Lucia und
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