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Die Ewigen

Die Ewigen

Titel: Die Ewigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tina Sabalat
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hatte - und obwohl hier die Trauer anstelle der stählernen Klinge meine Brust entzwei schnitt, war sie nicht weniger beängstigend: Sie lähmte mich und tauchte mein Herz in bodenlosen und eisigen Schrecken, während mein Kopf außerstande war, die stumme, kalte Ewigkeit des Todes in ihrer ganzen Tragweite zu erfassen und sich weigerte zu denken, dass er einstmals nicht mehr würde denken können.
    Wir standen kaum eine Minute schweigend unter dem im Abendwind rauschenden Baum, als ich neue Schritte auf dem Vorplatz vernahm und den Blick hob: Jackson, Magnus und die anderen kamen mit dem Sarg aus der Kapelle, Ciaran ging ihnen voran. Davides Hand umfasste die meine fester - ich hätte ihm gern tröstend oder beschwichtigend die Hand gedrückt, vermochte aber meine Finger in seinem jetzt stahlharten Griff nicht zu bewegen. Der Sarg kam langsam näher: Er glänzte satt Schwarz in der warmen Abendsonne, goldene Reflexe funkelten auf seiner Oberfläche und blendeten mich, zwangen mich zum Zwinkern mit tränenfeuchten Augen. Ganz vorn gingen Pablo und Peter, von Jackson sah ich nur die dunklen Locken vor Magnus Blondschopf. Wir anderen wichen leicht von der Grube zurück, damit die Jungs genug Platz hatten, um den Sarg von ihren Schultern zu heben und vorsichtig auf die leicht knarrenden Holzbohlen sinken zu lassen, dann stand Jackson endlich neben mir und legte mir einen Arm um die Taille. Ich lehnte mich leicht an ihn und fühlte mich mit ihm auf der einen und Davide auf der anderen Seite wieder halbwegs lebendig und geborgen - umgeben von einer Familie, ein fremdes, und trotzdem willkommenes Gefühl. Die kalten Gedanken an meinen eigenen, unausweichlichen Tod wurden blasser, ich konzentrierte mich auf den Sarg und auf Joseph, ging es doch hier um seine letzte Gegenwart und nicht um meine Zukunft. Ciaran trat vor und breitete in einer fließenden Bewegung ein Tuch über den Sarg, das er über dem Arm getragen hatte - und als das goldene Schwingenkreuz darauf in der Abendsonne aufleuchtete, wurde mir Schwarz vor Augen.
    Magnus Oh scheiße - warum war mir das nicht schon in der Kapelle aufgefallen? Da hätte ich noch was sagen können, da hätte ich Ciaran und Andreas warnen können: Jetzt war es zu spät, jetzt hatte sie es gesehen. Und ich konnte verstehen, warum sie schwankte und Jackson sie mit besorgtem Blick stützte, warum Davide sich mit fragendem Gesicht zu ihr umwandte und Josie neben mir einen leisen, klagenden Laut des Mitleids von sich gab: Das Kreuz auf dem Tuch sah genau so aus wie das auf Sharas Brust und Rücken - und ihr blutleeres Gesicht sagt mehr als deutlich, dass sie diese Ähnlichkeit noch vor uns allen erkannt hatte.
    Wäre es Rot auf Silber gewesen wie auf unseren Ringen oder Rot auf Schwarz wie auf diesen unmöglichen Touristen-Kutten - Shara hätte wahrscheinlich nicht mit der Wimper gezuckt. In Gold jedoch ... was hatten Andreas und Ciaran sich dabei nur gedacht? Nichts Böses, antwortete ich mir selbst, als ich den erschrockenen Blick sah, den die beiden tauschten: Sie hatten durch das Gold Joseph würdigen wollen, nun war darauf unvermittelt eine Schuldzuweisung für Shara geworden - hier liegt der, der wegen Shara gestorben ist, schrie das Kreuz, hier liegt der, den Shara getötet hat.
    Shara Davides Wasserfall übte einen unwiderstehlichen Sog auf mich aus und zog mich aus der gischtgefüllten Höhle hinein in den Schwall aus prasselndem, trauer-schwarzem Wasser. Er versucht zu erraten, was mich so plötzlich hatte schwanken lassen, vermutete ich in meinem mit schwindeliger Schwärze ausgefüllten Kopf angesichts des tastenden Wassers.
    Jackson hatte indes sofort verstanden, warum ich weggesackt war, natürlich: Er verstärkte den Griff um meine Taille und fasste mit der anderen Hand nach meiner Linken - Sekunden später war der Wasserfall verschwunden, verdrängt vom übermächtigen Ozean, und ich stand bis zu den Hüften in seinem warmen, klaren Wasser. Es stieg langsam höher, hob sanft meine Füße vom Boden, richtete mich liegend auf der stillen Wasseroberfläche aus und ließ mich in der hellen Sonne blinzeln - in sicherer Nähe der Insel, trotzdem herrlich leicht und losgelöst. So vor mich hin schwebend konnte ich mich von meinem Schreck erholen und wieder halbwegs auf Haltung und Würde konzentrieren: Ich straffte den Körper, hob das Kinn, stand sicherer auf meinen Füßen und ließ das Tuch sein, was es war - ein schönes, schwarzes Tuch mit einem goldenem Kreuz, das den Sarg

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