Die Ewigen
einem nachdrücklichen Nicken bestätigte, schnippte Magnus das Gerät wie zuvor die Zigarettenkippe über die Brüstung in die schwarze Kluft.
Das Klingeln wurde schnell leiser, das Zerplatzen von Plastik auf Stein kurz darauf war kaum hörbar und trotzdem wohltuend. Jackson schüttelte hinter mir amüsiert den Kopf und drückte mich kurz - ich hatte gerade eine der wenigen Verbindung zu meinem alten Leben gekappt und fühlte mich gut dabei. Ja, tatsächlich: Ich vermisste weder meine 'richtige' Familie noch meine Arbeit, nicht meine Wohnung oder die paar lockeren Freundschaften, die ich nie gepflegt hatte - ich hatte jetzt eine neue Familie, eine andere Arbeit, eine viel schönere Wohnung und echte Freunde, die ich mochte oder sogar von Herzen liebte. Okay: Den Schlüssel zu meiner Wohnung in München hatte ich nach wie vor, er steckte wie ein Talisman in meiner Geldbörse - eine Zuflucht für Notfälle, von der ich mir momentan sehr sicher war, dass ich sie nie brauchen würde und die ich trotzdem nicht aufgeben wollte. Ich rückte ein bisschen näher an Jackson und wurde mit einem luftigen, nur gehauchten Kuss auf meine empfindliche Stelle am Hals belohnt, was mich für ein paar wunderbare Minuten in seinen Ozean zog: Türkisblaue Wellen, strahlender Sonnenschein, warmes Wasser - fünf Minuten Urlaub, gespendet aus einer einzigen Berührung seiner Lippen auf meiner Haut.
"Ich will's auf jeden Fall versuchen", sagte Davide gerade, als ich benommen aus meinem Bad wieder auftauchte und ich konzentrierte mich endlich auf das leise Gespräch, von dem ich bislang keine drei Worte mitbekommen hatte: Er sprach von seinen Abiturprüfungen, verstand ich nach seinem nächsten Satz.
"Ciaran hat mir ein Attest geschrieben, dass ich wegen eines Todesfalls nicht lernen konnte und ich darf die erste Klausur an dem Termin nachschreiben, an dem die Nachprüfung stattfindet - dadurch hab ich eine Woche mehr zum Lernen, weil ich erst die zweite Arbeit normal mitschreibe. Ich muss dann zwar ein paar Tage länger als die anderen auf meine Note warten, aber das ist echt voll okay."
"Wenn du nicht bestehst, wird dir das jeder nachsehen. Du hast alle Zeit der Welt - du kannst auch hier oder in Rom noch ein Jahr in die Schule gehen, bevor du studierst" sagte Jackson, während er sein leeres Weinglas auf dem Tisch abstellte.
Das schien Davide ein bisschen zu erleichtern, doch scheinbar hatte er noch etwas auf dem Herzen, denn sein Lächeln erreichte kaum die Mundwinkel und seine Augen waren nun ein wenig getrübt.
"Sag schon", forderte ich ihn auf, er sah von mir zu Jackson, dann herüber zu Magnus auf der anderen Seite.
"Kommt ihr denn überhaupt noch mit nach Rom? Oder gehe ich allein ...?"
Die Frage aller Fragen, und nicht nur Davide wartete auf Antwort: Auch Magnus Augen wanderten höchst interessiert von mir zu Jackson und zurück. Jackson steckte seine Nase in meine Haare und drückte mich: Er überließ mir die Antwort und damit auch die Entscheidung, was das Ganze nicht gerade einfacher machte - ich konnte schon eher schlecht als recht für mich allein entscheiden, und für den schönsten aller Kreuzritter mitdenken zu müssen, war schrecklich verantwortungsvoll. Andererseits hatten wir das Thema schon abgehandelt: nach unserem ersten Streit an dem Tag, an dem ich hier in der Burg mit Drake gesprochen hatte.
"Wir kommen mit", sagte ich und spürte, wie Jackson hinter mir bestätigend nickte. "Jackson und ich - Magnus musst du selber fragen. Für wie lange, kann ich jetzt noch nicht sagen – aber für ein paar Monate ganz sicher."
"Ich komme gerne mit", sagte Magnus ohne Zögern und ich sah an seinen blitzenden Augen, dass er irgendwie erleichtert war - nicht weniger als ich, denn der Riese würde mir schmerzlich fehlen, wenn sich unsere Wege trennen müssten.
Und damit war es abgemacht: ein Sommer auf der Burg, ein Herbst in Rom und der November auf der anderen Erdhalbkugel. Die ersten beiden Stationen mit guten Freunden, die Dritte allein mit Jackson: Es gab schlechtere Zukunftsaussichten, dachte ich und klinkte mich für ein kleines Bad in meiner eigenen Zufriedenheit und Jacksons warmer Umarmung wieder aus dem Gespräch aus. Die Jungs redeten über Rom, die Uni und Autos - ich lauschte nur glücklich ihren mittlerweile so vertrauten, angenehmen Stimmen. Unterschiedlicher konnten die Drei nicht sein, dachte ich: Der schöne Jackson - ruhig und zärtlich, der große Magnus - freundlich und frech, der schmale Davide -
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