Die Fackel der Freiheit
Tisch ihre Stühle zurückschoben und aufstanden. Alle drei waren hochgewachsen, muskulös und ganz offensichtlich erfahren in körperlichen Auseinandersetzungen. Wahrscheinlich waren sie allesamt Söldner.
Sie spürte, dass Victor kaum merklich den Arm bewegte, und wusste, dass er tief in seinem Ärmel eine Pistole verborgen hatte. Dort hielt er sie mit einem Finger fest, genau über dem Handgelenk. Eine rasche Bewegung - in den Simulationskammern immer und immer wieder geübt, schließlich war Cachat nun einmal Cachat -, und er würde die Waffe wieder in der Hand halten.
Und genau das werden diese drei Naivlinge schon bald herausfinden.
Jürgen Dusek beugte sich vor und betrachtete die Aufzeichnung, die Chuanli ihm gebracht hatte. Die drei Männer waren jetzt weniger als zwei Meter von dem Pärchen am Ecktisch entfernt.
Mit allerhöchster Wahrscheinlichkeit waren sie bewaffnet. Bei einem wusste Dusek es mit Sicherheit: Er sah, dass der Knauf einer Pistole unter dem Jackett hervorragte. Wie nachlässig von ihm. Aber tatsächlich bestand praktisch keine Gefahr, von der Polizei darauf angesprochen zu werden - nicht in Neu-Rostock. Und solange er dafür sorgte, dass niemand diese Waffe zu Gesicht bekam, würde das Personal im Rhodesian auch nichts dagegen sagen.
Alle drei Männer hatten dieses gewisse Lächeln auf dem Gesicht, das Jürgen aus langer Erfahrung kannte. Gefährliche Schlägertypen, die genau das wieder einmal unter Beweis stellen wollten und nun die ersten Schritte in einem nur allzu vertrauten Tanz machten. Wenn der Tanz dann vorbei wäre - und sie alle rechneten ganz offensichtlich nicht damit, er könne allzu lange dauern -, hätten sie eine neue Begleiterin an ihrer Seite, und ein gewisser Nichtsnutz hätte seine Lektion gelernt, wo genau er in der hiesigen Hackordnung stand. Vielleicht würde er diese Erfahrung überleben, vielleicht auch nicht.
Nun richtete Dusek den Blick auf den Mann, der immer noch an dem Ecktisch saß. Wenn McRae eine Waffe bei sich hatte, so war sie zumindest nicht zu sehen. Von der Pistole, die Triêu ihm verkauft hatte, war nichts zu erkennen. Tatsächlich schien er nicht einmal zu bemerken, dass sich ihm das bedrohliche Trio immer weiter näherte. Für Jürgen sah es ganz so aus, als hätte McRae sie noch nicht einmal wahrgenommen. Die gut aussehende Blondine, die ihm gegenübersaß, hatte sie zweifellos kommen sehen, doch auch sie schien nicht gerade beunruhigt.
Chuanli hatte ihm versprochen, es werde interessant werden.
»Wie heißt du denn, Süße?«, fragte einer der drei Männer, als sie an den Tisch herangetreten waren.
Die Blondine blickte ihn kurz an, schüttelte den Kopf und deutete auf McRae. »Frag ihn.«
McRae schaute nicht einmal in die Richtung der ungebetenen Besucher. »Das ist mein Mädchen. Lasst es damit gut sein.« Sein Tonfall klang schlichtweg unendlich gelangweilt.
Der Mann, der die Blondine angesprochen hatte, warf den Kopf zurück. »Hör zu, du Schwachkopf, du ...«
Irgendwie hatte McRae plötzlich eine Pistole in der Hand. Noch im Sitzen hob er sie und schoss dem Mann in die Brust. Während der Söldner in sich zusammensackte, erhob sich der Havenit in einer einzigen, geschmeidigen Bewegung, und schoss dem Fremden in den Kopf. Zweimal. Dann erschoss er den Mann zu seiner Linken, anschließend den zu seiner Rechten. Jeweils drei Schüsse. Immer erst eine Kugel in die Körpermitte, dann zwei Kugeln in den Kopf.
Das Ganze hatte vielleicht drei Sekunden gedauert. Nur einem seiner Opfer war überhaupt die Zeit geblieben, die Hand an die Waffe zu legen, und er hatte es nicht einmal geschafft, sie aus dem Schulterhalfter zu ziehen. Als es vorbei war, bedeckten Blut und Gehirnmasse fast die Hälfte des Bodens der Bar, und das Dutzend anderer Gäste - allesamt selbst durchaus harte Burschen - war vor Überraschung totenbleich.
»Was genau an dem Satz ›das ist mein Mädchen‹ versteht hier sonst irgendjemand nicht?«, fragte der Schütze. Immer noch klang er unendlich gelangweilt.
»Meine Fresse«, entfuhr es Jürgen Dusek. »Spielen Sie das noch einmal ab, Chuanli!«
Der Gangsterboss schaute sich die Aufzeichnung noch dreimal in Folge an. Jedes Mal suchte er dabei nach ... irgendetwas, das diesen Schützen wie einen Menschen wirken ließ. Oder auch nur wie einen normalen Soziopathen.
Nichts.
Doch nachdem er die Aufzeichnung nun ein viertes Mal gesehen hatte, begriff Dusek, was geschehen war. Nicht, dass McRae ein übereilt vorgehender
Weitere Kostenlose Bücher