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Die Fackeln der Freiheit: Ein Lord-John-Roman (German Edition)

Die Fackeln der Freiheit: Ein Lord-John-Roman (German Edition)

Titel: Die Fackeln der Freiheit: Ein Lord-John-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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Schwertknauf habe ich auch tatsächlich dorthin geschickt –, um zu verhindern, dass ihn jemand erneut ausgrub. Wir müssen die Leute ja nicht in Versuchung führen, oder? Würdet Ihr den Kelch gern sehen?«
    Jamies Herz tat einen unerwarteten Ruck, doch er nickte, und seine Miene drückte nicht mehr aus als schwache Neugier.
    Der Abt stellte sich auf die Zehenspitzen, um einen Schlüsselbund von einem Haken zu nehmen, der neben der Tür hing, und winkte Jamie mitzukommen.
    Draußen im Rundgang des Klosters herrschte schönes Wetter, und fette, mit gelben Pollen bestäubte Bienen summten über dem Kräutergarten im Klosterhof. Die Luft war mild, doch Jamie konnte das Gefühl der Kälte nicht abschütteln, das beim Anblick der schwarzen Klauenhand mit dem Goldring über ihn gekommen war.
    »Vater«, entfuhr es ihm, »warum habt Ihr seine Hand behalten?«
    DER ABT WAR VOR EINER mit Schnitzereien verzierten Holztür angelangt und durchsuchte seinen Schlüsselring, doch bei diesem Worten hob er den Kopf.
    »Der Ring«, sagte er. »Es sind Runen darauf, und ich glaube, es ist die alte Oghamschrift. Ich wollte ihn nicht abnehmen, denn man kann ja sehen, dass das nicht geht, ohne den Finger in Stücke zu reißen. Also habe ich die Hand hierbehalten, um eine Zeichnung des Rings und seiner Markierungen anzufertigen. Ich wollte sie einem Bekannten schicken, der sagt, er kennt sich mit Ogham aus. Ich hatte – und habe – vor, die Hand mit dem Rest des Toten zu begraben«, fügte er hinzu, just als er den Schlüssel fand, den er suchte. »Ich bin nur einfach noch nicht dazu gekommen. Also …« Die Tür schwang lautlos an ihren Lederscharnieren auf und gab einige Treppenstufen preis. Aus einem dunklen Keller driftete ihnen der Geruch von Zwiebeln und Kartoffeln entgegen.
    Im ersten Moment fragte sich Jamie, warum man einen Kartoffelkeller abschloss, doch dann begriff er, dass Lebensmittel angesichts der Hungersnot, die Quinn erwähnt hatte und die jedem in Irland noch frisch im Gedächtnis war, möglicherweise der wertvollste Besitz des Klosters waren.
    Auf der oberen Stufe stand eine Laterne mit einer Zunderschachtel; Jamie zündete dem Abt die Laterne an, dann folgte er ihm in die Tiefe, insgeheim belustigt über die praktische Veranlagung des Abtes, der seinen Wertgegenstand einfach hinter einer Reihe von Äpfeln aus dem letzten Winter versteckt hatte, die inzwischen auf die Größe von Kuhaugen zusammengeschrumpft waren.
    Und es war tatsächlich ein Wertgegenstand; ein Blick reichte aus, um das zu sehen. Der Kelch war flach und passte in seine Handfläche, als der Abt ihn Jamie nun reichte.
    Zu seiner Überraschung war er aus poliertem Holz, nicht aus Gold. Fleckig und nachgedunkelt durch das Bad im Torf, aber immer noch erkennbar eine herrliche Arbeit. In den Boden der Schale war etwas eingeschnitzt, und der Rand war mit Edelsteinen besetzt, die – ungeschliffen, aber poliert – in kleine Vertiefungen eingelassen und anscheinend mit einer Art Harz befestigt waren.
    Auch der Kelch löste jenes Gefühl in ihm aus, das er bereits im Studierzimmer des Abtes verspürt hatte, diesen Eindruck, dass jemand – oder etwas – dicht hinter ihm stand. Es war unangenehm, und dem Abt entging das nicht.
    »Was ist, mo mhic ?«, fragte er leise. »Spricht der Kelch zu Euch?«
    »Aye, das tut er«, sagte er um ein Lächeln bemüht. »Und ich glaube, er sagt, gib mich zurück .« Er reichte dem Abt den Kelch und unterdrückte den Drang, sich die Hände an den Hosenbeinen abzuwischen.
    »Glaubt Ihr, der Kelch ist etwas Böses?«
    »Das kann ich nicht sagen, Vater. Nur, dass mich das kalte Grauen überkommt, wenn ich ihn berühre. Aber …«, er verschränkte die Hände hinter dem Rücken und beugte sich vor, »was ist denn da in den Boden geschnitzt?«
    »Ein carraig mór , glaube ich zumindest. Ein langer Stein.« Der Abt drehte die Schale seitwärts, so dass der Schein der Laterne sie beleuchtete. Kaltes Grauen glitt Jamie über die Beine, und er erschauerte. Die Schnitzerei stellte eindeutig einen aufrechten Stein dar – der entlang der Mitte gespalten war.
    »Vater«, sagte er abrupt und kurz entschlossen. »Ich habe Euch etwas zu sagen. Würdet Ihr mir die Beichte abnehmen?«
    SIE MACHTEN KURZ HALT , damit Vater Michael seine Stola holen konnte, dann spazierten sie über die Schafsweide in einen Obstgarten, in dessen duftenden Apfelbäumen die Bienen summten. Dort setzten sie sich auf ein paar Steine, und er erzählte dem Abt so

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