Die Fackeln der Freiheit: Ein Lord-John-Roman (German Edition)
schlicht er konnte von Quinn, von den Plänen für einen erneuten Jakobitenaufstand, der von Irland ausgehen sollte, und von der Idee, den Cupán des Druidenkönigs zu benutzen, um die Tatsache zu legitimieren, dass die Stuarts ein letztes Mal Anspruch auf den Thron dreier Königreiche erhoben.
Der Abt saß da, umklammerte die Enden der violetten Stola, die ihm um den Hals hing, und lauschte mit gesenktem Kopf. Er bewegte sich nicht und sagte kein Wort, während Jamie ihm Quinns Plan erläuterte. Doch als Jamie fertig war, blickte Vater Michael zu ihm auf.
»Seid Ihr etwa hier, um den Kelch zu diesem Zweck zu stehlen?«, fragte der Abt absolut beiläufig.
»Nein!«, sagte Jamie eher erstaunt als bitter; der Abt sah es und lächelte schwach.
»Nein, natürlich nicht.« Er saß auf seinem Stein, den Kelch auf den Knien. Er blickte nachdenklich darauf hinunter. » Gib mich zurück , sagt Ihr.«
»Es ist nicht an mir, das zu sagen, Vater. Aber ich …« Die Präsenz, die er vorhin in seiner Nähe gespürt hatte, war verschwunden, doch die Erinnerung daran ruhte kalt in seinem Kopf. »Es – er – er will ihn zurück, Vater«, platzte er heraus. »Der Mann, den Ihr im Moor gefunden habt.«
Der Abt riss die Augen auf, und er sah Jamie scharf an. »Dann hat er zu Euch gesprochen?«
»Nicht mit Worten, nein. Ich — ich spüre ihn. Jetzt ist er fort.«
Der Abt nahm den Kelch in die Hand und blickte hinein, während sein Daumen über das antike Holz strich. Dann legte er ihn wieder auf sein Knie, sah Jamie an und sagte leise: »Das ist doch nicht alles, oder? Erzählt es mir.«
Jamie zögerte. Es war nicht seine Sache, anderen von Greys Vorhaben zu erzählen – und es hatte ja auch nichts mit der Moorleiche, dem Kelch oder irgendwelchen anderen Interessen des Abtes zu tun. Doch die grünen Augen des Priesters ruhten auf ihm, gütig, aber bestimmt.
»Es ist doch unter dem Siegel, mo mhic «, sagte er, ohne zu drängen. »Und ich kann sehen, dass Euch eine Last auf der Seele liegt.«
Jamie schloss die Augen, und der Atem entfuhr ihm in einem langen, langen Seufzer.
»Ja, Vater«, sagte er. Er erhob sich von dem Stein, auf dem er gesessen hatte, und kniete zu Füßen des Abtes nieder.
»Es ist keine Sünde, Vater«, sagte er. »Zumindest das meiste nicht. Aber es bedrückt mich.«
»Erzählt es Gott, damit er Euch Erleichterung schenken kann, Mann«, sagte der Abt. Er ergriff Jamies Hände, legte sie auf seine knochigen Knie und legte ihm seinerseits sanft die Hand auf den Kopf.
Er erzählte alles. Langsam, oft stockend. Dann schneller, weil sich die Worte allmählich selber fanden. Was die Greys von ihm wollten und wie sie ihn gezwungen hatten, nach Irland zu reisen. Wie es war, zwischen der Loyalität gegenüber seiner alten Freundschaft mit Quinn und der erzwungenen Verpflichtung gegenüber John Grey gefangen zu sein. Schluckend, mit brennendem Gesicht, die Hände fest auf das schwarze Tuch der Kutte des Abtes gepresst, sprach er von den Gefühlen, die Grey für ihn hegte, und von der Szene, die sich im Stall von Helwater zwischen ihnen abgespielt hatte. Und erzählte schließlich – mit dem Gefühl, von einer hohen Klippe ins tobende Meer zu springen – von Willie. Und Geneva.
Die Tränen liefen ihm über das Gesicht, bevor er fertig war. Als Jamie zum Ende kam, fuhr ihm der Abt sanft mit der Hand über die Wange, bevor er in seine Robe griff und ein großes, abgenutztes, hinreichend sauberes schwarzes Taschentuch hervorholte und es ihm reichte.
»Setzt Euch, Mann«, sagte er. »Lasst mir etwas Zeit und ruht Euch aus, während ich nachdenke.«
Jamie erhob sich und setzte sich wieder auf den flachen Stein. Er putzte sich die Nase und wischte sich über das Gesicht. Er fühlte sich von seinem inneren Aufruhr befreit und wie gereinigt. Und so friedvoll wie er es seit den Tagen vor Culloden nicht mehr gewesen war.
Sein Kopf war leer, und er unternahm keinen Versuch, diese Leere mit Worten zu füllen. Er atmete ungehindert, nichts schnürte ihn ein. Das allein war schon genug. Doch es war nicht alles: Die Frühlingssonne kam hinter den Wolken hervor und wärmte ihn, eine Biene landete kurz auf seinem Ärmel und bestreute ihn mit gelben Pollenkörnchen, als sie wieder abhob, und das zerdrückte Gras, auf dem er gekniet hatte, roch nach Ruhe und Trost.
Er hatte keine Ahnung, wie lange er in diesem Zustand unbekümmerter Erschöpfung dasaß. Doch schließlich regte sich Vater Michael, richtete sich mit einem
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